Parlamentswahlen in Bulgarien: Bodyguard wird Regierungschef

Die GERB-Partei des Bürgermeisters von Sofia, Bojko Borisow gewinnt die bulgarischen Parlamentswahlen. Die Medien berichten von massenhaften Wahlfälschungen.

Der Ex-Bodyguard Bojko Borisow will mit Mitte-Rechts-Parteien über eine Koalition verhandeln. Bild: ap

Die Bulgaren haben wieder bewiesen, dass sie zumindest bei Wahlen immer für eine Überraschung gut sind. Am vergangenen Sonntag stimmten 39,7 Prozent der Wähler für die erst 2006 gegründete rechtspopulistische Partei "Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens" (GERB) des Sofioter Bürgermeisters Bojko Borisow.

Demgegenüber mussten die regierenden Sozialisten unter Noch-Regierungschef Sergej Stanischew herbe Verluste hinnehmen. Sie kamen auf nur noch 17,7 Prozent der Stimmen. Drittstärkste Kraft mit 14,6 Prozent wurde der bisherige Koalitionspartner der Sozialisten, die Partei der türkischen Minderheit "Bewegung für Rechte und Freiheiten" (DPS). Sie dürfte nach neun Jahren Regierungsbeteiligung dem Kabinett erstmals nicht mehr angehören.

Auch die rechtsextremistische Partei Ataka schaffte nach 2005 zum zweiten Mal den Sprung in die Volksversammlung und scheint sich damit als stabile Kraft im politischen Spektrum Bulgariens zu etablieren. Ataka erreichte 9,3 Prozent der Stimmen. Ebenfalls im neuen Parlament mit insgesamt 240 Sitzen vertreten sind die rechtsliberale Blaue Koalition des ehemaligen Premierministers Ivan Kostow (6,7 Prozent) sowie die rechtszentristische Gruppierung "Ordnung, Gesetzlichkeit und Gerechtigkeit" (RSS, 4,1 Prozent). Die Wahlbeteiligung lag bei knapp über 60 Prozent.

Der ehemalige Bodyguard und Law-and-Order-Mann Borisow erklärte auf einer Pressekonferenz seine Bereitschaft, den Posten des Regierungschefs zu übernehmen. Allerdings seien in den kommenden fünf bis sechs Monaten keine Wunder zu erwarten. Er kündigte an, die Korruptionsaffären der Vorgängerregierung untersuchen zu lassen.

Der scheidende Regierungschef Sergej Stanischew machte vor allem die globale Finanzkrise sowie die Tatsache, dass die anderen Parteien die ethnische Karte gegen den Koalitionspartner DPS ausgespielt hätten, für die Niederlage verantwortlich. Zugleich warnte er vor weiteren Privatisierungen sowie vor Kürzungen bei Gehältern und Renten. "Wir wollen ein konstruktiver Partner sein", sagte Stanischew, der die Wahlen im Allgemeinen als fair bezeichnete.

Das sehen nicht alle so. So berichtete die Tageszeitung Dnevnik unter Berufung auf einheimische Wahlbeobachter von massenhaften Fälschungen, unter anderem durch Mehrfachabstimmungen und den Kauf von Wählerstimmen im Tausch gegen Lebensmittel. Am Montag wurde der stellvertretende Minister für Notstandssituationen, Alexander Filipow, unter dem Vorwurf des Handels mit Wählerstimmen vorübergehend festgenommen. Ebenfalls am Montag kündigte die Parteiführung von GERB an, mit den anderen rechtszentristischen Parteien wie der Blauen Koalition und der RSS über eine Regierungsbildung verhandeln zu wollen.

Der Medienexperte Ognian Zlatew erklärt den erdrutschartigen Sieg von GERB mit dem Wunsch vieler Bulgaren nach wirklichen Veränderungen. Diesem Bild entspräche derzeit nur die Partei von Bojko Borisow. Die Gefahr wachsender ethnischer Spannungen zwischen Bulgaren und Vertretern der türkischen Minderheit hält er für gering. Schließlich habe sich Borisow ausdrücklich dagegen gewandt. Dennoch seien Provokationen von DPS-Anhängern nicht ausgeschlossen. "Wir werden diesen Prozess sehr aufmerksam verfolgen müssen", so Zlatew.

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