Parlamentswahl in Libanon: Hariri gewinnt überraschend Wahl
Entgegen den Erwartungen hat die Regierungsmehrheit um Präsident Hariri die Wahlen erneut für sich entschieden. Das Land ist weiterhin in sektiererischen Strukturen gefangen.
BEIRUT taz | Die bisherige libanesische Regierungsmehrheit, angeführt vom sunnitischen Parlamentarier und Milliardär Saad Hariri, hat die Parlamentswahlen in Libanon erneut für sich entschieden. Das Resultat gleicht dem Ergebnis vor vier Jahren und spiegelt die Teilung des Landes in zwei Lager wider. Große Bedeutung hatten die Siege von Hariris so genannter 14.-März-Koalition im Ostbeirut sowie in Zahle in der Bekaa-Ebene. Sobald kurz nach Mitternacht erste Hochrechnungen die Sitzgewinne für die Regierungsmehrheit in diesen Bezirken ankündigten, versammelten sich deren Anhänger auf den Plätzen, ließen Feuerwerke hochsteigen und fuhren hupend und fahnenschwingend durch die Straßen. Wenig später erklärte Hariri vor seiner Gefolgschaft "Demokratie, Freiheit und Libanon" zu den wahren Siegern der Wahlen.
Die rund 50.000 Sicherheitskräfte hielten die ganze Nacht und den nächsten Tag die Stellung, um die im Vorfeld befürchteten Zusammenstöße rechtzeitig zu verhindern. Das Innenministerium hatte den Montag zum Feiertag erklärt, Geschäfte und Gaststätten blieben geschlossen und viele Menschen verbrachten den Tag zu Hause.
Doch die Lage blieb im ganzen Land weitgehend ruhig, obwohl die Niederlage für die Anhänger der Opposition ein herber Rückschlag bedeutet. Denn die Prognosen waren im Vorfeld von einem knappen Sieg der eher prosyrischen und proiranischen Koalition zwischen der schiitischen Hisbollah-Partei und dem christlich-maronitischen Exgeneral Michel Aoun ausgegangen. Zwar setzten sich alle 11 Hisbollah-Kandidaten durch. Und auch Aoun konnten die Sitze in seinen Hochburgen halten. Doch ihre maronitischen und orthodoxen Koalitionspartner mussten in den entscheidenden Gebieten Verluste einstecken. Experten führen das relativ deutliche Resultat von wahrscheinlich 71 zu 57 Sitzen unter anderem auf die aggressive Rhetorik von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah in den letzten Tagen vor der Wahl zurück. Damit habe er möglicherweise einige unentschiedene christliche Wähler abgeschreckt, sagte Karim Makdissi, Politologieprofessor an der Amerikanischen Universität Beirut. Außerdem sei Hariris Kampagne besser organisiert gewesen, als gemeinhin erwartet.
Entscheidend für die Zukunft des Landes wird jetzt sein, wie die prowestliche Mehrheit mit diesem Sieg umgehen und ob sie der Opposition eine Regierungsbeteiligung anbieten wird. Denn für die Hisbollah, die eine schlagkräftige Guerilla-Armee kontrolliert, bleibt die Frage nach der Kontrolle ihrer Waffen eines der wichtigsten Themen. Der schiitische Parlamentsabgeordnete Mohammed Raad warnte bereits, dass eine Abgabe der Waffen nicht zur Diskussion stehe.
Sollte die Parlamentsmehrheit die Hisbollah von der Regierung ausschließen und die Kontroverse um deren Waffenarsenal auf eigene Faust in Angriff nehmen wollen, könnten sich erneut gefährliche Spannungen ergeben.
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