Parlamentswahl in Italien: Komiker Grillo gegen alle
Der italienische Starkomiker Grillo ruft mit dem "Leck-mich-am-Arsch-Tag" zum Wahl-Boykott auf: "Veltrusconi" seien unwählbar.
ROM taz Wenn es um die bevorstehenden Parlamentswahlen geht, zeigt sich Italiens Starkomiker Beppe Grillo unversöhnlich: "Geht nicht zur Wahl, das ist die einzige Entscheidung, die euch bleibt. Wer wählt, wird zum Komplizen, auch wenn er es nicht weiß", schreibt er auf seinem viel beachteten Blog www.beppegrillo.it. An der Entscheidung zwischen Silvio Berlusconi und dessen Kontrahenten Walter Veltroni will sich Grillo nicht beteiligen. Die beiden wachsen bei ihm ohnehin zu "Veltrusconi" zusammen.
Ein bekannter Komiker ist der bald 60-Jährige schon lange. So beißend war seine Kritik, dass das Staatsfernsehen RAI ihn seit 15 Jahren nicht mehr ins Programm nahm - und die Berlusconi-Sender erst recht nicht. Seiner Popularität tat dies keinen Abbruch; er zog einfach mit seinen One-Man-Shows durch die Theater des Landes und füllte mühelos auch Säle, in die mehrere tausend Zuschauer passen. Er spricht gerne über ökologische Themen oder die großen und kleinen Betrügereien der italienischen Unternehmen. Lange bevor der Lebensmittelkonzern Parmalat eine 14-Milliarden-Euro-Pleite hinlegte, war Grillo der Erste, der nach dem Zustand des Unternehmens fragte.
Im September vergangenen Jahres begann er dann, die politischen Verhältnisse aufzumischen. Hunderttausende Italiener folgten am 8. September seinem Aufruf zum "Vaffanculo Day" ("Leck-mich-am-Arsch-Tag"), um gegen die politische Klasse zu demonstrieren und nebenher für drei Volksbegehren zu unterzeichnen. Eines fordert, dass Vorbestrafte nicht mehr ins Parlament einziehen dürfen, ein anderes eine Änderung des Wahlrechts. Obwohl Presse und Fernsehen diesen Termin ignorierten und bloß Grillos Blog dafür mobilisierte, fanden sich allein in Bologna, wo Grillo selbst auftrat, 50.000 Menschen ein. Im ganzen Land wurden 340.000 Unterschriften für die Gesetzesvorhaben gesammelt.
Grillo gefällt seinen Fans, weil er gnadenlos mit den Politikern aller Parteien abrechnet. "Unsere Angestellten" nennt er sarkastisch die Abgeordneten, erinnert gleich darauf daran, dass sie mit 25.000 Euro doch recht ordentlich entlohnt würden. "Die Parteien streiten über den Alitalia-Bankrott, über die Giftmüllkatastrophe in Kampanien, über radioaktiven Büffelmozzarella, über den Niedergang der Justiz, über die Staatsschulden. Die gescheiterte politische Klasse will zum Wohle des Landes die nötigen Maßnahmen ergreifen. Das ist so, als ob Jack the Ripper am OP-Tisch stehen würde."
Einem im italienischen Politikbetrieb sind solche Töne egal: Silvio Berlusconi. Der hatte selbst seine politische Laufbahn mit populistischem Geschimpfe auf die "Politikaster" begonnen, die ihr ganzes Leben noch nie gearbeitet hätten. Berlusconi weiß auch, dass seine Wähler kaum zu Grillo überlaufen.
Von links dagegen muss Grillo sich immer wieder den Vorwurf gefallen lassen, er greife zu populistischen Tönen, die am Ende bloß die Politikverdrossenheit schürten. Eugenio Scalfari, der Gründer der linksliberalen Tageszeitung La Repubblica, vermutet bei den Grillo-Fans gar eine geheime Lust auf einen starken Mann. Schon einmal seien die "anarcho-individualistischen" Neigungen vieler Italiener in einer Diktatur geendet.
Solche Vorwürfe aber konnten den Komiker bisher nicht aufhalten. Mit dem V-Day entstand in Italien eine regelrechte Grillo-Bewegung. Im deren Zentrum steht der Blog des Meisters, der, obwohl er fast nur italienische Themen behandelt, zu den meistbesuchten Blogs der Welt zählt. Zur Bewegung gehören aber auch Dutzende lokale "Meet-up"-Gruppen.
Die bevorstehenden Parlamentswahlen kamen zu früh für die "Grillen", um an ihnen teilzunehmen. Zu unstrukturiert und unerfahren ist die Bewegung noch. Geplant war schon seit dem Herbst letzten Jahres die Beteiligung von Grillo-Bürgerlisten an den Kommunal- und Regionalwahlen. So wird bei den Kommunalwahlen in Rom wie bei den Regionalwahlen in Sizilien, die auch am 13. April stattfinden, eine "Liste der Freunde Grillos" antreten. In beiden Fällen werden die Listen von jungen Frauen angeführt. Jung, gebildet, prekär beschäftigt - dies ist die Hauptklientel der Grillen. Politiker aus allen Parteien beschimpfen sie gern als politikverdrossene Populisten. Sie halten dagegen: Ihnen gehe es um eine "direkte Demokratie", in der die Volksvertreter endlich wirklich "Angestellte" der Bürger würden.