Parlamentsmandate in Japan: Politik als Familiengeschäft
Die Opposition sagt der "Vererbung" von Parlamentsmandaten den Kampf an. Doch sie ist selbst von dem System betroffen. Politik als Familiengeschäft hat Tradition.
TOKIO taz| Was haben der japanische Premierminister Taro Aso und seine letzten drei Vorgänger Yasuo Fukuda, Shinzo Abe und Junichiro Koizumi gemeinsam? Alle vier gehören zu Dynastien, die seit Jahrzehnten die japanische Politik bestimmen. Schon der Großvater von Aso war Regierungschef, ebenso wie der Großvater von Abe und der Vater von Fukuda. Und auch Koizumis Vater und Großvater saßen im Parlament. Zur nächsten Wahl tritt Koizumi nicht mehr an, damit sein zweitältester Sohn Shinjiro ihn in vierter Generation im Wahlkreis Kanagawa Nummer 11 beerben kann. "Man muss einen Gentest machen, um ins Parlament gewählt zu werden", kritisiert der Politikexperte Sota Kato von der Tokyo-Stiftung diese Sitte. "Das Ganze ist ein Symptom dafür, dass die Gesellschaft ihre Dynamik verloren und weniger demokratisch geworden ist."
Nun will die oppositionelle Demokratische Partei (DPJ) der Vererbung von Mandaten einen Riegel vorschieben. Bei der Unterhauswahl, die spätestens im kommenden September stattfindet, sollen Kandidaten nicht mehr im gleichen Wahlkreis wie zuvor ihre Verwandten antreten dürfen. Diese neue Regelung soll sowohl für Kinder und Enkelkinder als auch für Neffen und Nichten gelten. "Die Vitalität der Politik leidet, wenn neue Leute kaum Chancen haben", meint Ex-DPJ-Chef Katsuya Okada.
Mit ihrem Vorstoß will die Opposition die Liberaldemokratische Partei (LDP), die seit mehr als fünfzig Jahren fast ununterbrochen regiert, als undemokratisch vorführen.
Knapp 38 Prozent der LDP-Abgeordneten im Unterhaus haben oder hatten direkte Blutsverwandte in der Politik. Von den siebzehn Ministern im gegenwärtigen Kabinett gehören elf zur Spezies der parlamentarischen Aristokraten. Doch auch fast 18 Prozent der oppositionellen Abgeordneten stammen aus Politikerfamilien, darunter auch DPJ-Chef Ichiro Ozawa höchstpersönlich.
Denn Politik als Familiengeschäft hat in Japan eine tief verwurzelte Tradition. Der Kaiserthron wird seit als mehr 1.500 Jahren von derselben Familie besetzt. Am Kabuki-Theater gehen die Stellen der Schauspieler vom Vater auf den Sohn über. Alter und Verbindungen zählen viel. Ein 47-jähriger unerfahrener Senator wie Barack Obama könnte in Japan nie Regierungschef werden.
Zwar halten nach einer Umfrage fast 60 Prozent der Japaner die Tradition der Vererbung politischer und anderer Posten für ein Problem. Aber eine gesetzliche Beschränkung der Kandidatur wäre wohl verfassungswidrig - und in der Praxis sichern sich Familienangehörige mit Hilfe der gut geölten Politikmaschinen ihrer Vorgänger die Wählergunst. "Solche Kandidaten sind im Vorteil: Ihr Name ist bekannt, sie haben die Infrastruktur und das Geld", meint der Politologe Yasuhiro Tase von der Waseda-Universität.
Der Reformpolitiker Yoshimi Watanabe setzt darauf, dass sich das Problem durch das neue Wahlrecht von selbst erledigt. Seit 1996 entsendet jeder Wahlkreis nur noch einen Abgeordneten. "Damit wird es für eine Dynastie immer schwieriger, ihr Mitglied durchzubringen", meint Watanabe. Doch sein Argument überzeugt nicht: Er selbst wurde unter dem neuen Wahlrecht für die LDP ins Parlament gewählt - im Wahlkreis seines zuvor verstorbenen Vaters.
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