: Parkarella? Doppelschwarzpressung?
■ Plattenbörse in der Stadthalle: knallheiß, knallvoll
„Hundertachtzig ist das mindeste, was Du dafür hinlegen mußt. Das hier ist die zweitseltenste... In den Staaten, ja, aber bei uns sind die Preise weiter unten...“
Die Staaten sind omnipräsent, die Luft hingegen gar nicht vorhanden. Am Eingang der Stadthallenhalle wird noch geredet, weiter drinnen, rauf und und runter an den langen Tischen, auf denen all die Platten in Hüllen und
die Hüllen ohne CDs in Plastikkisten stehen, da steht mann nur noch, sucht schwitzend und konzentriert und redet nicht mehr die knappe Atemluft weg. Die Siegener Veranstalter dieser ersten Plattenbörse in der Stadthalle staunen auch über den Andrang.
1.200 BesucherInnen von elf bis halb vier, und noch immer strömen neue. Hierher kommen die meisten nicht einfach mal wühlen Mann ist z.B. aus Rothenburg/Wümme gekommen, hat zuhause 420 Platten, der Bruder hat sogar 1200!!, hat sich eine Liste ge
macht und sucht „Parkarella“ von „Graham Parker & the Rumour“, „Bad Company“ von „Run with the pack“, oder umgekehrt. Auf alle Fälle schwingt man jetzt „Fine life“ von „Arrow Smith“ überm Kopf, eine 89er bootleg, eine Doppelschwarzpressung: „60 Mark, hat sich schon gelohnt, könnt ich schon nach Hause.“
Und die Händler? 50 Mark hat da einer für seine zwei Meter Verkaufsfläche gezahlt, aber erst für 40 Mark CDs verkauft. Auf dem Flohmarkt, wo er sonst, was er durch AZ-Anzeigen erwirbt, „fürn paar Mark mehr verkauft“, hat er das Vierfache. “ Wohl kein Markt für CDs hier, da gibt's ja keine Raritäten.“
Der Händler aus Osnabrück, derauf 14 Metern CDs verkauft, glaubt: „Das liegt eher daran, das wir da sind.“ Ungefähr 2000 Titel, Stück 20 Mark, wenn es schon älter ist; was inner Hit-Parade ist, 22 Mark. Umsatz? Ne, darüber redet er nicht, das Finanzamt liest ja auch Zeitung. Der andere Großanbieter aus Gelsenkirchen ist jedes Wochenende auf ner Plattenmesse. „München ist gut, Zürich, in Klagenfurt muß man aufpassen, da hat mal jemand für Raubpressungen 6000 Mark Strafe zahlen müssen. Aber in den Staaten, da ist was los, da kauft man für 500 bis 600 $ Platten, ich weiß auch nicht, wie die das machen.“ Aber auch er staunt über das Gedränge in der Stadthalle, „Vielleicht weil hier sonst niemand vorbeikommt?“
Uta Stolle
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