Paranoiker, Diktatoren etc.: Als wäre der Paß die Krone
■ Ein bitterer englischer Streit über die Umstände von Dianas Tod
Während Prinzessin Diana inzwischen eingereiht ist unter die Briefmarkenheiligen Großbritanniens, steht in Paris die strafrechtliche Klärung der Todesumstände bevor. Letzte Woche erschienen jene Parteien vor Gericht, die man nach deutschem Recht Nebenkläger nennen würde: der Vater des Diana- Lovers Dodi, Mohamed Al-Fayed, und die Mutter Dianas, Frances Shand Kydd. Während unzweifelhaft ist, daß Al-Fayed und Kydd am 31. August letzten Jahres im Pariser Alma-Tunnel jeweils ein Kind verloren haben, gehen die Meinungen über die Gründe weit auseinander. Al- Fayed nämlich glaubt an eine Verschwörung, darauf angelegt, eine Diana-Dodi-Ehe zu verhindern.
Kydd sprach in Paris kein Wort mit Al-Fayed, was Sinn macht, wenn man bedenkt, daß eine Privatklage gegen Al-Fayeds Ritz-Hotel noch aussteht, dessen Fahrer Diana volltrunken in den Tod fuhr. Al-Fayed schäumte vor Wut, als er nach dem Termin von sich gab: Frances Shand Kydd sei ein Snob und eine schlechte Mutter.
Tatsächlich wurden Dianas Eltern geschieden, als Diana noch nicht sieben Jahre alt war, und der Mutter gelang es 1969 nicht, das Sorgerecht zu bekommen. Damals brach in die adlige Gesellschaft ein, was man heute Individualisierung nennt: der Wille zur Selbstbestimmung, gegen die Fassadenregelungen der Tradition. Was die Erkenntnis betrifft, folgte Diana ihrer Mutter: Etwas verspätet entdeckte sie die Vorzüge der libertären Demokratie.
Al-Fayed, von der Boulevardzeitung Sun letzte Woche auf Seite eins originell ein „Reptil“ geschumpfen, liefert das Gegenbild des gestrauchelten Adels: Der ägyptische Multimillionär ist der perfekte Aufsteiger. Daß er sich in Paris das Hotel Ritz und in London das Kaufhaus Harrod's kaufte, zeigt deutlich seine Ambition. Wenn man das Schloß nicht gleich haben kann, probiert man es als Lieferant bei Hofe. Das Kuriosum seiner Biographie ist, daß man ihm, einem äußerst erfolgreichen Immigranten, den britischen Paß bis heute verweigert – als wäre der Paß die Krone.
Wie auch immer die Sache strafrechtlich zu formulieren sein mag: In den widersprüchlichen Wurzeln jener Liaison lag eben auch das tödliche Risiko – Dodis Playboy-Patriarchat gekoppelt mit Dianas royaler Kränkung. Indem Al-Fayed letzte Woche ergänzte, die Fotografen würde er „alle hängen“, hat er sie unfreiwillig entlastet. Die Äußerung zeigt, was sie darstellten in jener Nacht: die schmuckreiche Eskorte am paranoiden Hof eines Diktators der Einbildung. Ulf Erdmann Ziegler
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