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Par ordre du mufti

■ Marokkos König lässt drei Wochenzeitungen schließen

Madrid (taz) – Wo die Lust an Demokratie zu weit geht, da geht sie zu weit. Am Samstag ließ das marokkanische Informationsministerium auf Wunsch des Königs Mohammed VI. an den Kiosken drei Blätter beschlagnahmen. Das Verbrechen der beiden französischsprachigen Wochenzeitungen Le Reporter und Maroc Hebdo International sowie der arabophonen Al Moustaqill: Sie hatten sich mit dem Nachfolger des im vergangenen Jahr verstorbenen Monarchen Hassan II. angelegt.

Die drei Blätter veröffentlichten in ihrer letzten Ausgabe einen offenen Brief des Islamistenführers Abdessalame Yassine. „Marokko lebt auf des Messers Schneide“, schreibt der 72-jährige Scheich und Chef der Gruppe Al Adl Wal Ihssane (Gerechtigkeit und Spiritualität). In dem 18 Schreibmaschinenseiten starken Papier fordert Yassine Mohammed VI. auf, das auf 40 bis 50 Milliarden Dollar geschätzte Auslandsguthaben seines Vaters zurück ins Land zu bringen. Dies wäre „eine historische Geste“, mit der das Land „vom Joch der Weltbank befreit werden könnte“. Marokko ist mit über 20 Milliarden Dollar verschuldet. Schuldendienst und Verwaltung schlukken zusammen 80 Prozent des Haushaltes. Für eine Entwicklung des Landes ist damit kaum Geld übrig.

Der „junge sympathische König“ habe die Wahl, ob er „die dekadente Tradition des Pomps und des schlechten Glaubens weiterführt“, schreibt der Scheich weiter. Yassine lebt seit zehn Jahren unter Hausarrest. Seine Al Adl Wal Ihssane agiert halblegal, was dem Zulauf vor allem in den Armutsvierteln der großen Städte und an den Universitäten des Landes keinen Abbruch tut. Noch Anfang vergangener Woche war dem alten Scheich die Freilassung in Aussicht gestellt worden. Jetzt nach dem Brief weht ein anderer Wind. Vier Mitglieder von Al Adl Wal Ihssane wurden verhaftet, als sie Kopien des Briefes ihres geistigen Führers verteilten.

Die marokkanischen Journalisten sind empört. Seit dem Tod von Hassan II. haben sie langsam Spaß an der von Mohammed VI. erlaubten Pressefreiheit gefunden. „Ich frage mich, warum wir nicht unsere eigene Meinung zum Memorandum Yassines abgeben dürfen“, beschwert sich jetzt Bahia Amrani, Redakteur von Le Reporter gegenüber der französischen Nachrichtenagentur AFP. Die Zensur gegen die drei Wochenzeitungen mache alle Bemühungen nach einer offeneren und ausgewogeneren Berichterstattung zunichte. Dabei haben weder Le Reporter noch die anderen beiden beschlagnahmten Publikationen Yassine einfach unterstützt. Sie stellten die Thesen des Scheichs in langen Themenschwerpunkten zur Debatte. Le Reporter hatte mit dem Titel „Wird das königliche Vermögen Marokko retten?“ aufgemacht. Maroc Hebdo International war sogar noch vorsichtiger und titelte: „Was will Yassine?“ Der Scheich wird in der Ausgabe, die unter http://www.maroc-hebdo.press.ma im Internet zu lesen ist, als „Populist“ kritisiert.

Reiner Wandler

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