Papst hinter Gittern : Mutwilliges Ableben
Da will man nur zur Post in der Bergmannstraße, und schon versperrt einem der Papst am Südstern den Weg. Sehr viele Polizisten haben sehr viele Absperrgitter aufgestellt, und alle zehn Meter steht auch noch ein Polizeipärchen vor dem Absperrgitter, damit niemand aus Versehen über die Straße tappt.
Hätte ich daran gedacht, dass der Papst kommt, hätte ich ihm ein Gedicht mitgebracht. „Ten Ways to Kill a Pope“ von Fritz Tietz. Mein Lieblingsgedicht. Aber vermutlich hat der Papst anderes zu tun als ein Gedicht zu lesen, das von seinem mutwilligen Ableben handelt. Der Papst versperrt nicht nur Leuten den Weg, er hat auch schon welche vertrieben. Michael Sowa wohnte lange Zeit gegenüber der Kirche, aber als die Papst-Botschaft gebaut wurde, suchte er das Weite, weil er nicht vom Papst und der Polizei belästigt werden wollte.
In der Post haben die Postlerinnen und Postler nichts zu tun, weshalb sie sich über den Papst lustig machen. „Der schläft ja in der Hasenheide“, sagt ein Postler. „Ist mir ja völlig egal, was der macht“, sagt eine Postlerin. „Doch, der schläft wirklich in der Hasenheide“, beharrt der Postler auf seinem Witz. Draußen fahren motorisierte Polizisten eilig auf dem Gehweg und machen auf Hektik, aber niemand lässt sich anstecken.
In der Markthalle esse ich Tintenfischringe. Timo, der mit rotem Jackett Gedichte für 50 Cent verkauft, ist auch da. Seine Gedichte sind nicht so schön wie mein Lieblingsgedicht, dafür aber sehr billig. An einer Laterne ist ein Plakat übrig geblieben: „Piratenpartei. 847870 Wählern gefällt das.“ Haben die jetzt nicht nur ein Frauenproblem, sondern auch noch ein Sprachproblem?
Auf dem Rückweg vorbei am Südstern stehen immer noch viele Polizisten herum, um den Papst zu schützen. Aber es sieht nicht so aus, als ob sich jemand für ihn interessieren würde.
KLAUS BITTERMANN