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■ „Papa-Kommission“ für Gleichberechtigung in SchwedenZum Vaterurlaub gezwungen

Stockholm (taz) – Bis jetzt steht die Gleichberechtigung nur auf dem Papier: Schwedens Eltern wird vom Staat ein Elternurlaub von zwölf Monaten bei vollem Lohnausgleich nach der Geburt eines Kindes geschenkt, den sie sich untereinander aufteilen können. Was den nicht unerwarteten Effekt hatte, daß der Elternurlaub weiterhin ein Mutterschaftsurlaub ist. Nur jeder fünfte Papa glaubte bisher, zum Wohle seines Kindes eine Urlaubsphase einschieben zu müssen. Und auch dann nahmen die Papas nur durchschnittlich sechs Wochen des Elternurlaubs in Anspruch, die restlichen 46 Wochen die Mütter.

Dies will die Regierung nun ändern. Eine „Papa-Kommission“ hat sich seit Monaten Gedanken gemacht und wurde jetzt fündig. Da es im Lande Tradition ist, daß die Obrigkeit den SchwedInnen vorschreibt, was für sie am besten ist, soll das Urlaubsglück nun zwangsweise verordnet werden. Drei Monate Elternurlaub werden als Vaterurlaub gesetzlich festgelegt. Er kann nicht auf Mama übertragen werden; nimmt Papa ihn nicht wahr, verfällt er. Nicht etwa Uneinsichtigkeit in die Bedeutung seiner Vaterrolle treibt den frischgebackenen Papa zur Arbeit, sondern die Angst um Job und Karriere. Der Chef übt indirekten Druck aus, das Kind doch der Mutter zu überlassen. Desgleichen tun auch die ArbeitskollegInnen. Zumindest vermuten die meisten Urlaubsverweigerer, daß dem so ist. Der Zwangsurlaub hilft, diese Klippe zu umschiffen. Sorry Chef, ich würde ja gerne, aber leider muß ich zu Hause bleiben.

Dort, wo nicht die Firma drückt, ist es offensichtlich auch weithin noch das Rollenverständnis der Mutter, die eine mehr gleichberechtigte Verteilung des Elternurlaubs verhindert hat. So haben Umfragen gezeigt, daß viele Väter eigentlich gerne bei ihren Kinder bleiben wollten, aber von der Partnerin überzeugt wurden, sie sei dazu viel besser geeignet. Auch derlei familiäre Konflikte werden durch das Zwangsurlaubsgesetz elegant gelöst. Wer wird sich bei der Frage, drei Monate gar kein Urlaub oder „nur“ der Vater, schon für erstere Alternative entscheiden? Daß die schwedischen GesetzesmacherInnen daran denken, Geldstrafen für Vaterurlaubsverweigerung oder gar polizeiliche Verfrachtung vom Büro- an den Wickeltisch als verschärfte Erziehungsmethode für hartnäckige Gleichberechtigungssaboteure einzuführen, soll aber ein übles Gerücht sein. Im Gegenteil: Man gibt sich überzeugt, daß man in zehn Jahren über das jetzige Zwangsgesetz nur noch lächeln werde. Dann würden sich die meisten Eltern ihren Babyurlaub ganz selbstverständlich gleichberechtigt teilen. Reinhard Wolff

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