Paok-Fan Komarias über das Geisterspiel: „Sie knüppeln auf uns ein“

Anhänger von Paok Saloniki werden als kriminelle Vereinigung behandelt. Ein Fan berichtet über Strafen, Gaseinsätze und Verhaftungen.

Paok-Fans feiern sich beim Hinspiel auf Schalke. Bild: dpa

Wenn der FC Schalke 04 heute in Saloniki um den Einzug in die Gruppenphase der Champions League spielt, bleiben die meisten Plätze im Stadion leer. Nachdem es bei einem Europa-League-Spiel gegen Rapid Wien zu Ausschreitungen gekommen war, wurde der Klub von der Uefa dazu verurteilt, drei Europapokalspiele ohne Zuschauer auszutragen. Nicht erst seit dem Rapid-Spiel gelten die Paok-Anhänger als Problemfans.

taz: Herr Komarias, Paok Saloniki steht vor dem größten Triumph seiner Vereinsgeschichte, aber die Fans müssen draußen bleiben. Wie werden sich die Paok-Anhänger heute Abend verhalten?

Diamantis Komarias: Der Schmerz und die Wut über unseren Ausschluss ist riesengroß. Was wir heute empfinden, wenn wir unser eigenes Stadion nicht betreten dürfen, können wir kaum in Worte fassen. Wir werden natürlich trotzdem alles versuchen, der Mannschaft so nah wie möglich zu sein, um sie tatkräftig zu unterstützen.

Was heißt das konkret?

Die Uefa hat eine Bannmeile um unser Stadion „Toumba“ gezogen. Diese Meile wird von stark ausgerüsteten Sicherheitskräften bewacht. Vor dieser Meile werden sich die meisten Paok-Fans zum Spiel versammeln. Andere werden mit Autos den Mannschaftsbus zum Stadion begleiten, soweit es eben geht. Wir wollten auch Transparente im Stadion aufhängen, aber auch das hat uns die Uefa untersagt.

Wie stehen Sie überhaupt zur Entscheidung der Uefa, Paok Saloniki nach den Ausschreitungen gegen Rapid Wien mit drei Geisterspielen zu bestrafen?

Der 26 Jahre alte Rechtsanwalt ist Mitglied im Klub „Gate 4“. Die Fanorganisation mit einer Vorliebe für bengalische Fackeln und eindrucksvolle Klatsch-Choreographien gilt mit ihren rund 700 Mitgliedern als die größte und einflussreichste Gruppierung in der Stadionkurve des griechischen Vizemeisters Paok Saloniki.

Ich finde es unfassbar, dass die Uefa ein Stadion, in das 30.000 Menschen gehen wollen, um sich ein Champions-League-Spiel anzusehen, völlig leer lässt. Wir haben sowieso den Eindruck, dass Paok Saloniki national wie international seit Jahren kriminalisiert wird.

Woran machen Sie das fest?

Wir empfinden die Polizeieinsätze gegen Paok-Fans als extrem brutal und oft maßlos. Was die deutsche Polizei beim Hinspiel in Schalke veranstaltet hat, darüber können wir fast lachen. Die griechische Polizei geht gegen Paok-Fans in den Blocks mit Gaseinsätzen vor. Sie setzt bissige Hunde ein und knüppelt wahllos auf uns ein. Wir werden bei Auswärtsspielen stundenlang im Block isoliert und anschließend verhaftet. Auf den Wachen der Polizei geht es dann auch nicht gerade zimperlich zu. Das alles ist bewiesen.

Wie lautet die Anklage gegen die Fans?

Bildung einer kriminellen Vereinigung. Paok-Fans werden auf den Polizeistationen zwar wegen dieses Vorwurfs stundenlang verhört, dürfen aber nicht mit ihren Anwälten reden. 200 Anhänger warten immer noch auf ihre Prozesse. Zwei sitzen nach den Vorfällen gegen Rapid Wien seit nunmehr fast einem Jahr im Gefängnis, ohne dass überhaupt eine konkrete, nachvollziehbare Anklage erhoben wurde. Das ist ein Skandal! Parallel dazu gibt es regelmäßig Hausdurchsuchungen der griechischen Polizei bei den Fans in Saloniki.

Wonach wird denn in den Häusern der Paok-Fans gesucht? Was wird gefunden?

Alles Dinge, die für die Bildung einer kriminellen Vereinigung sprechen sollen. Geld zum Beispiel. Aber wo gibt es das nicht in einer Wohnung? Damit aber soll uns ein finanzielles Motiv unterstellt werden. Dazu wurden Handys beschlagnahmt, um an Telefonnummern von Fans zu kommen.

Wie reagieren die Anhänger auf diese Repressionen?

Wir versuchen uns zu wehren. Wir haben gute Fananwälte. Aber die kosten natürlich viel Geld. Wir veranstalten deshalb Solidaritätskonzerte und bitten um Spenden. Wir haben T-Shirts bedrucken lassen mit dem Motiv „Freedom for Paok-Fans“, die wir bei jedem Spiel verkaufen. Übrigens auch heute vor dem Stadion in Saloniki beim Match gegen Schalke.

Paok-Anhänger gelten in Griechenland als besonders gewaltbereit. Stimmt das?

Nein, aber dieser Ruf eilt uns voraus. Das liegt in der Geschichte begründet. Unsere Fanvereinigung, Gate 4, gilt als Begründer der harten Fanszene in Griechenland, und das passierte schon in den 70er Jahren. Ich glaube, darunter müssen wir immer noch leiden. Auch heute gegen Schalke.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.