: Panzerglas für den Präsidenten
Unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen beginnt der Prozess gegen den als „Präsidenten“ bekannten Mahmut U. Gemeinsam mit elf weiteren Angeklagten soll er Drogen im großen Stil von Holland nach Berlin geschmuggelt haben
Im Saal 700 des Kriminalgerichts Moabit drängen sich an diesem Donnerstagmorgen rund 50 Menschen. Einige von ihnen, zumeist Angehörige der zwölf Angeklagten, wirken nervös. Eine junge Frau weint. Draußen stehen mehrere Fernsehteams und warten auf die Angeklagten. Vergeblich. Denn die sind schon drin.
An den Seitenwänden des Gerichtssaals befinden sich zwei große Kästen aus Panzerglas. Hier sitzen neun der Angeklagten. Die anderen drei warten im Saal neben ihren Anwälten. Im linken Käfig ist ein Platz am Rand durch eine Glaswand abgetrennt. Dahinter wartet Mahmut U. auf den Beginn seines Prozesses. U. trägt eine dunkle Hose, einen grauen Pullover und eine schusssichere Weste. In seinem glatt rasierten Gesicht kann man keine Gefühlsregung erkennen.
Der „Präsident“, so Mahmut U.s Spitzname, gilt als einer der gefährlichsten Kriminellen Berlins. Laut der Staatsanwältin werden er und die anderen elf Angeklagten beschuldigt, in den Jahren 2003 und 2004 insgesamt rund 49 Kilogramm Haschisch, Kokain und Heroin in Holland gekauft, nach Deutschland und Dänemark geschmuggelt und dort wieder verkauft zu haben. Im Falle einer Verurteilung drohen ihnen dafür Haftstrafen von bis zu 15 Jahren.
Mahmut U. ist der Anklage zufolge Anfang 2004 als Kurier in den vom Mitbeschuldigten Ahmed A-K. aufgezogenen Drogenhandel eingestiegen. In Kooperation mit der Berliner Filiale einer bundesweiten Mietwagenfirma sei der Transport der Drogen bewerkstelligt worden, so die Staatsanwältin. Die anderen Angeklagten sollen als Kuriere und Händler gearbeitet haben.
Der Großteil der Drogen soll in Berlin verkauft worden sein. Am Verkauf waren laut Anklageschrift weitere Unterhändler beteiligt. Sie werden noch von der Polizei gesucht. Über die Identität der Händler, von denen die Bande die Drogen in Holland angekauft haben soll, herrscht ebenfalls noch Unklarheit.
Die Verlesung der Anklageschrift dauerte länger als eine Stunde. Mahmut U. taucht darin vor allem als Strippenzieher der Schmugglerbande auf. Der „Präsident“ war am 26. April 2005 in Neukölln verhaftet worden – vor den laufenden Kameras der RBB-„Abendschau“.
Seit 1982 hält er sich unter dem Namen Moheiddine Al-Zein in Deutschland auf. Über seine Herkunft und sein Alter gibt es unterschiedliche Angaben. Er selbst behauptet, 1966 im Libanon geboren zu sein. Nach Version der Staatsanwaltschaft ist er erst 1972 geboren, stammt aus der Türkei und ist Anfang der 80er-Jahre mit gefälschten libanesischen Papieren nach Deutschland eingereist. 2002 sollen er und seine Familie vom türkischen Staat ausgebürgert worden sein, weil er die Wehrpflicht verweigert hatte.
Bereits 1996 wurde Mahmut U. im ARD-Dokumentarfilm „Der Rotlicht-Prinz“ als „der starke Mann in der Berliner Unterwelt“ beschrieben: „Ohne ihn läuft zumindest im Westteil der Stadt nichts“, hieß es damals. Auch der Berliner Polizei gilt er als „eine der einflussreichsten Personen der kriminellen Szene“. Mahmut U. steht nicht zum ersten Mal vor Gericht. 1998 wurde er bereits wegen Beihilfe zum Drogenhandel zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt.
Für den aktuellen Prozess hat das Gericht zwölf Verhandlungstage anberaumt. Ob der „Präsident“ sich zu der Anklage äußert, sagte er gestern noch nicht. Nach dem Ende des ersten Prozesstages beriet er sich eifrig mit seinem Verteidiger Wolfgang Ziegler. Ziegler ist an prominente Mandanten gewöhnt: Er vertrat vor mehr als zehn Jahren Erich Honecker – im selben Gerichtssaal. Der Prozess wird am kommenden Donnerstag fortgesetzt.
SOPHIE DIESSELHORST