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Archiv-Artikel

Panther mit portablem Aufnahmegerät

NEW ROMANTIC Der Berliner Techno-Produzent Hendrik Weber alias Pantha du Prince hat mit „Black Noise“ sein zweites Album vorgelegt. Zum ersten Mal wird damit ein deutscher Künstler auf dem unabhängigen englischen Kult-Label Rough Trade veröffentlicht

„Es ist nicht nur Klang an sich, wie er oft in der elektronischen Musik vorkommt. Mein Klang hat von vorneherein eine Geschichte“

HENDRIK WEBER ALIAS PANTHA DU PRINCE

VON SIMONE JUNG

Vor fast genau drei Jahren erschien das Album „This Bliss“ von Pantha du Prince, damals noch auf dem Hamburger Techno-Label Dial. Damit wurde Hendrik Weber auf einen Schlag berühmt. Seine hypnotische Musik fand zahlreiche Fans im In- und Ausland.

Nun hat der Panther nachgelegt. Immer noch der rauschhaften Musik verfallen und beseelt von einer romantischen Weltflucht, ist die Herangehensweise seines neuen Albums „Black Noise“ jedoch eine ganz andere. Entstand der Vorgänger am Laptop, bei Freunden oder im Flugzeug irgendwo zwischen Hamburg, Paris und New York, ist die Produktion des neuen Albums auf zwei Orte fixiert, die gegensätzlicher nicht sein könnten: Berlin und Atzmännig. Pantha du Prince findet seine Klänge nicht mehr in den Verästelungen der Programme seines Laptops, sondern in der Einsamkeit der Natur, und zwar in einem Schweizer Bergwald. Das kleine Dorf Atzmännig ist ein skurriler und geheimnisvoller Ort, an dem sich Hendrik Weber mit seinen beiden Musikerfreunden Stephan Abry und Joachim Schütz zwei lange Wintermonate zurückzog, um mit Perkussionsinstrumenten, E-Gitarre, Midi-Controller und Kontaktmikrofonen bepackt eine Art mobiles Klanglabor zu errichten.

Natur und Unglück

Vor fast 200 Jahren begrub ein Erdrutsch Atzmännig. Ein Schuttberg zeugt heute noch von diesem Unglück, bei dem es auch Tote gab. Die Musiker begaben sich mit einem portablen Aufnahmegerät an die Unglücksstelle und nahmen Geräusche aus der Natur auf, ließen ihre E-Gitarre dazu erklingen oder bauten Kontaktmikrofone in ihrer Holzhütte auf, um dann mit einer präparierten E-bow-Gitarre die Saiten zum Schwingen zu bringen und den im Raum stehenden Ton aufzunehmen.

Für Weber war die Raumwahrnehmung äußerst wichtig: „Die Atmosphäre, aus der der Klang entstand, ist auch dann da, wenn ich ihn mir anhöre. Es ist nicht nur Klang an sich, wie er oft in der elektronischen Musik vorkommt. Mein Klang hat von vorneherein eine Geschichte.“ Hört man Weber über die Entstehung seines zweiten Albums reden, fühlt man sich an die Arbeitsweise von Künstlern in der Romantik erinnert. Denn auch sie nahmen in ihrem „verinnerlichten Sehen“ nicht nur die optischen Eindrücke auf, sondern horchten auch ihren seelischen Regungen nach, die sie bei ihnen hervorriefen.

„Ich habe mir beim Musikmachen verrückte Dinge vorgestellt. Wenn man am Berg steht und weiß, dass da wirklich ein abgerutschter Hang unter einem liegt, dann denkt man natürlich: Wie kam das? Man hat das im Hinterkopf. Das Vergängliche, was da so drüber schwebt“, erinnert sich Pantha du Prince an die Aufnahmesituation in der Schweiz. Auch in der Romantik löste der Anblick von Landschaften, das Hören eines Klangs Empfindungen aus, die sich im Kunstwerk widerspiegelten. Das Naturerlebnis wird zur eigenen Geschichte. „Ein Bild muss nicht erfunden, sondern empfunden sein“, sagte Caspar David Friedrich einmal, dessen Gemälde Hendrik Weber gerne auf sich wirken lässt.

Die Entstehung von „Black Noise“ ist zuerst eine romantische, die dann aber von den Produktionsweisen der Gegenwart eingeholt wird. Denn die in der Natur aufgenommenen Klänge wurden später im Berliner Studio synthetisch in eine Klangarchitektur verwandelt und damit in das Format der Techno-Musik abstrahiert. Abstraktion, Entfremdung. Das sind weitere Schlagwörter, die den Musiker Hendrik Weber beschreiben.

„Black Noise“ bewegt sich weg vom funktionalen Konzept eines Techno-Albums, bleibt dennoch so weit diesen Strukturen verhaftet, dass es nie wirklich Avantgarde-Musik wird. Es ist ein sphärisches Techno-Album geworden, das auch popsensibel ist. Die elf Stücke sind immer fordernd, energetisch und logisch aufeinander abgestimmt. Umwoben von sägenden und hämmernden Klängen bilden die seltsam vertraut klingenden Glockensounds und die warme und klare Bassdrum im düster flächigen Mimimalgewand das Grundgerüst der Musik. Ein Novum: Nun erklingt bei Pantha du Prince auch Gesang: Auf dem hitverdächtigen Track „Stick to my Side“ singt Noah Lennox alias Panda Bear von Animal Collective zu einem elegischen Streicherarrangement. Sein New Yorker Musikerkollege Tyler Pope (!!!, LCD Soundsystem) spielt in „The Splendour“ den Bass.

Verblüfft „Black Noise“ zunächst durch düstere Langsamkeit, schleicht sich nach und nach die vertraute Bassdrum ein und führt in träumerische, aber immer druckvolle Weiten, um zum Schluss in einer mystischen Klanglandschaft zu enden. Geisterhafte Stimmen tauchen auf, verlieren sich wieder. Die Welt ist vergessen, die Realität ausgeblendet, sogar das Selbst verschwindet. Hier zeigt Pantha du Prince noch einmal seine Liebe zur Klangtiefe. Seine Musik nimmt uns mit auf eine Reise in eine Bergwelt, aus Schluchten, Gipfeln und Wäldern. Der Sog der Natur überträgt sich auf das Sounddesign. Hendrik Weber hat als Pantha du Prince einen erkennbar eigenen Sound erschaffen.

Kontinuität und Haltung

Seine Karriere weist erstaunliche Parallelen zur Entstehungsgeschichte von „Black Noise“ auf: Aufgewachsen in einem kleinen hessischen Dorf, verschlägt es ihn in das Nachtleben der nächstgelegenen Stadt Kassel. „Meine Faszination für Vögel ist schnell umgeschlagen in eine Faszination für Techno“, sagt der 34-Jährige. Schon früh musikalisch sozialisiert (die Mutter ist Klavierlehrerin, der Vater Chorsänger und Cellist) zog es ihn dann weiter nach Hamburg. Hier fand er das, was ihm in der Provinz fehlte: Austausch und Diskurs unter Seinesgleichen.

„Da wurde wahnsinnig viel diskutiert“, erinnert sich Weber, der in den 1990ern in der Band Stella spielte und sich im Umfeld des Pudel-Clubs bewegte. Schon damals begann er mit elektronischer Musik unter dem Alias Glühen zu experimentieren. Mit Dial fand er schließlich ein seelenverwandtes Label: „Dial steht für Kontinuität und Haltung.“ Überhaupt komme die elektronische Musik in Hamburg aus einer diskursiven Auseinandersetzung, so auch das Label Dial, das im Jahr 2000 gegründet wurde. Denn die Hamburger Szene ist anders als die Berliner Szene eng miteinander verbunden, Musiker der „Hamburger Schule“ verkehren mit Künstlern genauso wie mit den elektronischen Fricklern.

„Hamburg ist kleiner, ist nachhaltiger gedacht. Man sieht sich jeden Tag im Plattenladen. So hat sich eine präzisere Haltung entwickelt als in Berlin.“ Der Einfluss Hamburgs auf Pantha du Prince, der heute in Berlin und Paris lebt, liegt auf der Hand: Seine kluge Techno-Musik steht für eine gewisse Ernsthaftigkeit, die durch den romantisierten Ansatz auch eine politische Dimension erhält. Dafür könne man in der Partystadt Berlin aber auch „intimer“ sein, wie es Weber schön formuliert.

Jetzt veröffentlicht Pantha du Prince erstmals auf dem legendären Indie-Label Rough Trade. Ein Ritterschlag, denn Rough Trade-Chef Geoff Travis persönlich holte ihn als ersten deutschen Elektroniker mit ins Boot. Und Weber fühlt sich hier noch autonomer als auf seinem alten Label: „Rough Trade funktioniert nach der Do-it-yourself-Attitüde.“

Vielleicht sind es gerade die Gegensätze von Stadt und Land, von Natur und Technik, die Pantha du Prince so besonders machen. Er lässt sich mit den Klanglandschaften der Natur ein, und alles, was sie ihm an Eindrücken und Emotionen geben kann, interpretiert er als Klang. Damit kehrt er in die Metropole zurück und kreiert ein Technoalbum. Und so schafft Weber etwas, was heute nur noch wenige perfekt produzierte Techno-Alben hergeben: Musik mit Seele und Bezug.

Denn trotz der synthetischen Klangumwandlung hört man der Musik ihren Ursprung an. Die klassischen Instrumente, das Warten der Musiker auf den magischen Klangmoment im Wald, das Zusammenspiel von Natur und Mensch. Maschinen werden nicht fetischisiert, sie sind Mittel zum Zweck. „Black Noise“ funktioniert auf mehreren Ebenen: im Wohnzimmer, unter den Kopfhörern oder im Club. Pantha du Prince selbst sieht sich letztlich als Produzenten: „Ich will, dass das ganz simple Techno-Musik ist.“ Vor allem ist sein Album „Black Noise“ Musik für die emotionale Abfahrt. Und die kann auf der Tanzfläche stattfinden oder im Kopf.

■ Pantha du Prince, „Black Noise“ (Rough Trade/Beggars Group/Indigo)