: Panter 2005
Eingeladen: Necla Kelek
taz: Sie sind Autorin des Buchs „Die fremde Braut“, in dem Sie das Schicksal zwangsverheirateter türkischer Frauen beschreiben. Sind die Jury-Preisträger Sinan und Saithan glaubwürdig?
Necla Kelek: Ich weiß, was dazu gehört, so etwas zu tun. Auch wenn sich die beiden zunächst von Frauen haben überreden lassen: Gerade diese Männer lassen sich doch eben nichts von ihren Frauen sagen. Ich weiß, was es bedeutet, wenn man in so einem Stadtteil aufwächst und dann aufsteht und sagt: Ich mache das. Eine tolle Sache, oft braucht es einfach einen kleinen Bruch, gerade für die anderen. Dass die sehen: Guck mal, die bekommen Anerkennung, kommen ins Fernsehen. Das ist doch ein wundervoller Impuls! Großartig.
In ihrer Haltung gegenüber Frauen sind die beiden ja durchaus ambivalent …
Das ist ja genau diese Zerrissenheit zwischen ihrem Gefühl und ihrem Über-Ich, diese zwei Welten, ein Kampf, der ihnen von außen angetragen wird. Und wir in dieser Gesellschaft müssen ihnen sagen: Es geht um das Menschliche, nach den Gefühlen, und nicht nach rationalen Erwägungen.
Glauben Sie, die beiden wissen, wie ihnen geschieht?
Das ist auch für die beiden Jungen wichtig. Draußen haben sie mir gesagt: „Das ist überhaupt das erste Mal, dass wir mit so vielen Deutschen zusammen sind in einem solchen Ambiente.“ Dieser Preis ist für die beiden eine Chance – und zugleich für ihre Altersgenossen.
Verleihend: Bascha Mika
taz: Warst du als Chefredakteurin zufrieden mit der ersten Panterpreis-Verleihung?
Bascha Mika: Das war ein großartiges Fest. Dieser Abend hatte etwas ganz Besonderes, es war keine große Party, im Vergleich zu 3.000 Menschen am 25. Geburtstag. Das hier war eine Veranstaltung mit einer ganz besonderen Stimmung. Das liegt an allen, die dazu beigetragen haben: Künstler, Sponsoren, Jury, Teilnehmer.
Das hat es ja in dieser Form auch noch nicht gegeben.
Das ist das erste Mal, dass die taz sagt: Wir versuchen nicht nur publizistisch Zeichen zu setzen für Menschen, die ein besonderes zivilgesellschaftliches Engagement zeigen, sondern machen es über die eigentliche Zeitung hinaus.
Viele der Gäste waren erstaunt, dass es statt belegter Brote und Stehempfang ein richtiges Menü gab … Ein Paradigmenwechsel?
Es ist gar nichts gegen belegte Stullen einzuwenden, aber zu einem feierlichen Rahmen ist eine etwas opulentere Gestaltung doch angebracht. Wir wollten uns mit diesem Rahmen natürlich auch bedanken bei denjenigen, die durch ihre Anwesenheit gespendet haben für die Preisträger – es waren ja zahlende Gäste. Es sind so viele Menschen vorgeschlagen worden, da ist es doch wunderbar, dass wenigstens zwölf von ihnen etwas mit nach Hause nehmen können, um ihre Arbeit fortzusetzen. Deswegen sind eben auf eine kleine, aber feine Weise auch die Gäste dieses Abends HeldInnen des Alltags.
Beratend: Heiner Geißler
taz: Herr Geißler, wird bürgerschaftliches Engagement nach dem Ende von Rot-Grün wichtiger denn je?
Heiner Geißler: Also, ich hoffe zwar, dass sich in diesem Land etwas ändert, aber mehr in dem Sinne, dass das Parlament wieder mehr an Bedeutung gewinnt. Das ist allerdings fraglich bei einer großen Koalition. Das eigentliche Handikap von Rot-Grün war eine Entmachtung des Parlaments zugunsten von Kommissionen.
Sie waren Mitglied der Panter-Jury. Wer war Ihr Favorit?
Die Postkartenaktion, Sinan und Saithan, die habe ich vorgeschlagen.
Was waren Ihre Beweggründe?
Weil die beiden das gesellschaftspolitisch drängendste Problem angesprochen haben, nämlich die Situation der Frauen, vor allem der jungen Frauen, die aus anderen Ländern kommen, zweitens, weil ein Durchbruch zu erkennen ist, und zwar dadurch, dass Männer sich nicht gegen die Frauen stellen, sondern an ihre Seite.
Dafür einen Preis?
Die Frauen, um die es hier geht, können im Moment nur gewinnen, wenn sich genügend gescheite Männer hinter sie stellen. Diese muss man unterstützen. INTERVIEWS: MARTIN REICHERT