"Panorama"-Moderatorin über Feinde: "Wir vermissen Strauß"
Feindbilder sind für Politmagazine etwas Tolles, sagt "Panorama"-Moderatorin Anja Reschke. Die TV-Sendungen hätten es deshalb heute schwerer, ein klares Profil zu haben.
BERLIN taz | Früher wütete die CSU regelmäßig über "Panorama", die CDU stellte auch mal den ganzen NDR in Frage. Für die Macher des politischen Magazins war das toll. "Wenn du zuverlässige Feindbilder hast, kannst du klare Kante fahren", sagt Anja Reschke, 37, Moderatorin von "Panorama" im sonntaz-Interview. Aber die Welt ist vielschichtiger geworden. "Es ist ja nicht mehr so wie früher, als 'Panorama' und Franz Josef Strauß sozusagen natürliche Gegner waren. Es geht um Themen und daraus ergibt sich die Gegenseite." Die müsse aber schon etwas bieten: Am besten lügen oder vor der Kamera ausrasten.
Insofern hätten es die Magazine auch schwerer, ein klares Profil zu haben. "Ein bisschen vermissen wir einen wie Strauß." Der alte Gedanke, dass es linke Magazine auf der einen und "schwarze" Sendungen als Gegengewicht gebe, sei nicht mehr zeitgemäß. "Heute ist die reine Farbenlehre vorbei", sagt die Moderatorin. Zudem gebe es heute viel mehr Sender, Medien und Angebote. "In der Medienlandschaft musst du ja heute erst mal gefunden werden."
Und da sieht Reschke ein Problem: Die ARD hat sechs politische Magazine, die sich montags und donnerstags abwechseln. "Fakt" vom MDR, "Report Mainz" vom SWR und "Report München" vom BR laufen montags, "Monitor" vom WDR, "Kontraste" vom RBB und "Panorama" vom NDR wechseln sich an Donnerstagen ab. "Es wäre ja schon eine Verbesserung, wenn die ARD ein Montags- und ein Donnerstagsmagazin mit jeweils einem Gesicht hätte", sagt die NDR-Journalistin. Sie verweist auf das wöchentlich sendende ZDF-Magazin "Frontal 21". "Der Königsweg wäre, die Marken, die Studio-Optik und die Moderation zu vereinigen, damit du mehr Schlagkraft hast", sagt Reschke. "Dafür müsste man aber fünf Magazine oder zumindest deren Namen und Moderatoren abschaffen und das ist schwierig."
Reschke, die auch selbst als Autorin tätig ist, berichtete, dass Verantwortungsträger in Interviews immer raffinierter würden. "Die meisten sprechen glatt. Einige packen zwei Argumente in eine Antwort oder bleiben mit der Stimme oben. Das ist dann sehr schwierig zu schneiden. Ich nehme an, sie lernen das so von ihren Beratern."
In dem sonntaz-Interview spricht sie auch über die absurde Romantik von Biokunden, die Strickmuster von Magazinfilmen und ihr Faible für Napoleon.
Leser*innenkommentare
hto
Gast
Schönen Dank liebe taz, daß ihr meine Meinung zu Reschke abdruckt, denn im Panorama-blog ist Meinungsfreiheit nicht mehr erwünscht / werde ich GEBLOGT.
"Wir vermissen Strauß" - solch eine Aussage ist entweder ziemlich zynisch, oder sie zeigt wie arrogant / wie abgehoben / wie von einer anderen Welt diese zeitgeistlich-funktionalisierten "Journalisten" kommunizieren!?
Wolf K.
Gast
Liebe TAZ, Frau Reschke
der von Ihnen selbst als zu lobend eingeschätzter Beitrag zur Auseinandersetzung zwischen Kritischer Reflexion von Konsumentenverhalten (sowohl über Konsumenten und als Konsument) und stupidem Siegel-Glaube hat mich zutiefst verärgert: er ist a)unglaublich polemisch, das auf niedrigstem Niveau b)so einseitig, dass es falsch wird und c) ein Beispiel schlechten reporterischen Arbeitens. Sie bringen in diesem Film NICHT die Problematik der Sigel-Gläubigen in den Mittelpunkt, alles was ihrem Film unmittelbar entspringt, ist eine Diffamierung derjenigen, die sich immerhin mehr für Tierschutz, Umwelt und Soziales einsetzen. Sie greifen die problematischsten Beispiele (v.a. Geflügel) heraus, um ihre Ergebnisse dann auf das Sigel allgemein anzuwenden, - das ist schlichtweg Blödsinn. Außerdem benutzen Sie in ihrer Argumentation, sagen wir besser rhetorischen Ekel-Spiel, dem Argument des Tiershutzes, um in dem gesamten Film dann eine Gesamt-Stimmung gegen die Bio-Branche allgemein zu machen. Was zur Folge hat, dass die Mehrheit der Zuschauer mit einem "Ist ja eh alles nix, Betrug, kauf ich halt die konventionellen Produkte". Da haben Sie ja wirklich was geleistet! Sie bauschen sich mit der Maske des geheiligten Tierschutzes auf, um diejenigen, die wenigstens besser arbeiten, als es konventionell geschieht, im Gesamten zu diffamieren. Sie hätten ja ein Resümee bezüglich der Geflügelproduktion ziehen können, aber nein. Sie haben ja ein infantiles Feind-Reporter Konzept, ich hatte es vergessen...
Im übrigen sind alle Verordnungen bezüglich des biologischen Anbaus öffentlih zugänglich, hier kann jeder nachlesen, was Sache ist.
Außerdem sprechen Sie immerzu von "der Bio-Branche", sie kritisieren Siegel-Gläubigkeit, und kennen nur eines von vielen; Demeter und Bioland und Eg-Zertifizierungen undifferenziert betrahten ist äußerst schwachsinnig.
Das "mauern" der Verbände kommt in ihrem Film überhaupt nicht zur Geltung, das behaupten sie nun wieder im Taz-Interview. Während der erste Vertreter äußerst objektiv und auch für die konventionellen Lebensmittel sprechen kann, hat das Bundesinstitut für Risikoforschung natürlich die Meinung (nach außen) das sie "alles im Griff habe"...
"Pflanzenschutzmittel, oder Pestizide, wie man es nennen will."(Zitat aus der Sendung) Nun, hier zeigt sich doch, wie fundiert der Film vorgeht.
Liebe Taz,
nur weil jemand füher einmal ein linkes Polit-Magazin gemaht hat...
das musste niht sein.
Wolf Kettering
Urbster
Gast
Und deshalb denken sie sich neue Feindbilder wie z.B. Computerspiele aus. Damit sie wenigstens irgend ein Profil haben. Auch wenn es heißt dabei die Fakten zu verdrehen, und Interviews aus dem Kontext zusammen zu schneiden. (siehe dazu http://www.youtube.com/watch#v=R9JRm3iQQak)
MFG
Urbster
Daniel
Gast
Mehrere Moderatoren in einer Sendung sind gut. Mit "kombiniertem" eigenen Anpruch. Längere Sendungen, Themenabende.
Gebt dem Volke Spiele
Gast
Politik und der öffentlich-rechtliche Rundfunk profitieren von einer karzinomatösen Seilschaft, während die Rolle des Volkes beschränkt ist auf die Blutspende. Unwilligen und sinkenden Geräteanmeldungen begegnet man mit der Einführung "neuartiger Rundfunkgeräte" - gemeint sind damit Telefone, Computer und Toiletten mit Internetzugang. Wenn das demnächst zur Ernährung des Karzinoms nicht mehr reicht, wird das Kopfgeld eingeführt.
at.engel
Gast
Meiner Meinung nach ist das nur die halbe Wahrheit. Das eigentliche Problem ist in Wirklichkeit ein klarer Rechtsruck durch alle Bereiche der Gesellschaft, sprich Wähler, Parteien und vor allem auch Medien. Die, die sich heute noch zum eher linken Flügel zählen, vertreten Standpunkte, die früher vollkommen inakzeptabel gewesen währen. Das geht über Sicherheitspolitik, Datenschutz und individuelle Freiheit, bis hin zum einem Minimum von sozialem Ausgleich und Solidarität. Die Vertreter der ehemaligen Linken sind doch alle irgendwo in der gut-bürglichen, etwas biedermeierlichen, Mitte angelangt. Was fehlt, ist nicht ein F.J. Strauß, auch wenn der wahrscheinlich mehr Profil hatte, als die meisten Rechten heute, sondern vor allem mal jemand, der sich dafür interessiert, was in dieser Gesellschaft eigenlich abgeht, sprich einfach so hingenommen wird.
Peter
Gast
Wie wäre es mit der neoliberalen Ideologie, den Vertretern der neoliberalen Ideologie und an deren Spitze Westerwelle!
hto
Gast
Zitat Reschke: ""Wenn du zuverlässige Feindbilder hast, kannst du klare Kante fahren" / ... sind für Politmagazine etwas Tolles"
Die "klare Kante" heißt auch im öffentlich-rechtlichen Pantoffelkino: "we love to entertain you", auch wenn sich die Sprüche anders anhören / stilvoller oder moralischer anhören sollen.
"Feindbilder" - es ist doch immer wieder aufs Neue geradezu widerlich, wie diese pseudo-kritischen Magazine den durch das "gesunde" Konkurrenzdenken konfusionierten Zeitgeist surfen / nur die gewohnte Überproduktion von systemrationalem Kommunikationsmüll in gebildeter Suppenkaspermentalität bedienen, und eben keine massenbewußt-brauchbare Stellung / keine wirklich vernunftbegabte Verantwortung außerhalb der "individualbewußten" Funktionalisierung von "Arbeit macht frei" und "Wer soll das bezahlen?" beziehen.