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Archiv-Artikel

WARUM ES DUMM IST, LAFONTAINES PARTEIAUSSCHLUSS ZU FORDERN Panischer Angriff

Klaus Wowereit und andere SPD-Politiker wollen, dass Oskar Lafontaine die SPD verlässt. Auf den allerersten Blick mag dies begreiflich erscheinen, weil es doch ein selbstverständliches Recht ist, rauszuwerfen, wer für eine andere Partei kandidieren will. Aber so weit ist es längst noch nicht. Lafontaine kokettiert mit der Idee einer linken Partei – mehr nicht. Kein noch so flotter Wahlforscher weiß zu sagen, ob diese linke Partei je mehr sein wird als der Wunsch nach ihr. Ganz zu schweigen davon, ob Lafontaine dabei eine Rolle spielen will und kann. Ziemlich sicher ist nur, dass, wenn es so kommt, Lafontaine sich so aufführen wird wie Franz Beckenbauer, wenn er Mainz 05 trainieren müsste.

Deshalb wirken diese mehr oder weniger deutlichen Ausschlussdrohungen voreilig, ja ziemlich panisch. Zumal das Wort Parteiausschluss in der SPD einen dunkleren, tieferen Klang hat als in bürgerlichen Parteien. Dies ist ein Nachhall der Historie, in der sich die Partei als von der Wiege bis zur Bahre währendes Schutzkollektiv für die Ausgebeuteten in feindlich-kapitalistischer Umgebung verstand. Das Kollektiv zählte dabei viel, das Individuum wenig. All das ist längst Folklore geworden – aber trotzdem klingt bei dem Wort Parteiausschluss in der SPD noch etwas davon nach. Mentalitäten bleiben, auch wenn die Ideologien, die sie hervorgebracht haben, untergegangen sind.

Der Appell von Wowereit und Co. will dieses traditionelle Parteiethos gegen den Störenfried Lafontaine mobilisieren. Doch das wirkt unglaubwürdig – denn Lafontaine steht der sozialdemokratischen Idee wirklich näher als Schröder. So zerfällt die Sozialdemokratie in zwei Teile, die nicht zusammenpassen: in Lafontaine, der das etatistische Ideal der SPD verkörpert, und Müntefering, der die sozialdemokratische Tugend, durchzuhalten und bei der Fahne zu bleiben, repräsentiert.

Das Problem der Schröder-SPD aber ist nicht Lafontaine, dessen politisches Projekt sich bis dato darin erschöpft, Recht zu haben und Schröder zu ärgern. Ihr Problem sind jene hunderttausende SPD-Sympathisanten, die nicht mehr zur Wahl gehen. Und jene tausende von Genossen, die achselzuckend ihr Parteibuch zurückgeben. Dagegen helfen keine Ausschlussdrohungen. STEFAN REINECKE