■ Pampuchs Tagebuch: Am Strand die Atome von AOL
Auslandsreisende, aufgepaßt: Es folgt der brandneue, upgedatete und daher (bis übermorgen) unverzichtbare E-mail-Ratgeber für Reisen in die Karibik. Die gute Nachricht zuerst: Es geht! Ich habe – trotz Drehens eines größeren Filmwerkes – satte 59 Mails erhalten und übersatte 64 verschickt. Ich war überhaupt nicht aus der Welt, ich flutsche hier in München rein, als sei ich gar nicht weggewesen. Allein mein gebräuntes Gesicht beweist, daß ich nicht vier Wochen im Keller gesessen habe.
Ja, es geht. AOL hat mir den Santo-Domingo-Knoten genannt, irgendwas von 6 Mark Aufpreis gemurmelt und mir Glück gewünscht, daß ich die richtigen Stecker finde. In Puerto Plata habe ich mit heißen Fingern gleich an meinem Hoteltelefon rumgefummelt, und siehe, es hatte den süßen, praktischen Westernstecker. Ich mußte also nur den vom Telefon rausziehen und den von meinem Laptop reinstecken. Sodann habe ich unter „Standort ändern“, die AOL- Knotennummer eingegeben. Nix ist passiert. Dann habe ich mich dank meiner umfassenden Lateinamerikaerfahrung daran erinnert, daß es ja auch auf Hispaniola vielleicht Vorwahlen gibt, und habe eine 1 vor die Nummer gesetzt. Ist immer noch nix passiert. Dann habe ich mich dank meiner umfassenden Hotelerfahrung erinnert, daß es ja vielleicht eine Telefonanlage gibt, den Telefonstecker wieder reingesteckt, gefragt, und richtig, man mußte noch eine 9 vorwählen. Ist immer noch nix passiert. Dann habe ich mich dank meiner umfassenden Reiseleitererfahrung erinnert, daß viele Hotels dem Gast erst auf Anfrage die Linie freigeben. Also habe ich wieder den Telefonstecker reingesteckt und dem Operator in meinem besten Spanisch ein „Me puede dar la linea?“ zugeflötet. Wunderbar, nach ein paar Minuten und allerlei Ruckeln erscholl das lieb gewordene „Willkommen“, gefolgt von einem „Sie haben Post“. Ich hätte mein Kistchen knutschen können. Gleich fünf Mails aus dem „tiefverschneiten“ München. Und ich unter Palmen am Strand mit einer karibischen Pina colada in der Hand! Endlich ein elektronischer Weltmann, ein vernetzter Globetrotter, ein Mann des Dritten Jahrtausends. Wie verrückt mailte ich den halben Globus an. Eine Woche lang. Dann schlug der Globus zurück. Weil es regnete, hatten wir „Yahoo Weatherpage Carribean“ angesurft, in der eitlen Hoffnung, für unser Filmchen gut Wetter finden zu können. Nix da. Statt dessen tauchte eine düster dräuende Fehlermeldung auf. In krassester Menetekel-Syntax beschied sie: „AOLAtom: UNI_USE_ ATOM_STRING is pointing to a void pointer.“ Und schrieb und schrieb und schwand nicht. Immer tauchte sie woanders wieder auf. „Des kommt ois von de Atome“, heißt es in Bayern, wenn's katastrophisch wird.
Es war der Samstag vor Faschingsdienstag. Da versuch mal, kompetente Techniker an die Strippe zu kriegen! Über brave Freunde, die ich von München aus die AOL-Hotline befragen ließ, erfuhr ich nach einer Woche, daß ich über „Suchen/DateienOrdner/locality.lst/alle Dateien löschen“ wieder zum Weltmann werden konnte. Wie und warum wissen der Himmel und AOL. Und die Atome. Eine Woche war ich aus der Welt. Verschollen in der Karibik. Ohne E-Mail oder, wie die Oma meiner Haidhausener Lieblingsadresse sagen würde: ohne Emil.
Doch mit meinen Münchner Detektiven haben wir's geschafft. Übrigens: So ganz billig war es nicht. Der AOL-Knoten in Santo Domingo kostet pro Stunde 18 Mark, drei Wochen Weltmann kosten 77 Mark. Nulltarif haben nur Verschollene. Thomas Pampuch
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