Pakistan kündigt größeren Feldzug an: "Swat ist nur der Anfang"
Präsident Asif Ali Zardari erklärt, der Kampf werde sich ausweiten. "Swat ist nur der Anfang. Das ist ein größerer Krieg." Notfalls werde man bis zur afghanischen Grenze vorrücken. Angeblich 1.000 Taliban getötet.
ISLAMABAD ap/afp | Bei der Offensive der pakistanischen Streitkräfte gegen die Taliban im nordwestlichen Swat-Tal sind nach Regierungsangaben bislang mindestens 1.000 mutmaßliche Aufständische getötet worden. Der Militäreinsatz werde weitergehen, bis die letzten Taliban vernichtet seien, sagte Innenminister Rehman Malik am Sonntag beim Besuch eines Flüchtlingslagers südlich des Kampfgebietes.
Das Wochenende war eines der blutigsten der jüngeren Vergangenheit Pakistans: Bei Kämpfen und Anschlägen wurden über 100 Menschen getötet.
Malik sagte, der Militäreinsatz entwickle sich wie von der Regierung geplant. Wenn es nötig sei, könne auch eine Ausweitung des Einsatzes in Richtung der Stammesgebiete an der afghanischen Grenze nicht ausgeschlossen werden. Präsident Asif Ali Zardari sagte der britischen Zeitung The Sunday Times zufolge, der Kampf werde sich ausweiten. "Swat ist nur der Anfang. Das ist ein größerer Krieg", sagte er laut dem Blatt.
UNO fordert Nothilfe
Wegen des riesigen Stroms von mehr als einer Million Flüchtlinge aus den Kampfgebieten in Nordwest-Pakistan haben die Vereinten Nationen Finanzhilfe von der Weltgemeinschaft gefordert. "Das ist nicht der Moment für symbolische Gesten, sondern für massive Unterstützung", sagte UN-Flüchtlingshochkommissar Antonio Guterres.
Seit Anfang Mai habe das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) knapp 1,2 Millionen Flüchtlinge registriert, sagte Guterres. "Jeder von ihnen hat gelitten, als er sein Dorf, manchmal auch seine Familie, zurücklassen musste", sagte Guterres am Samstag. Er forderte Nothilfe in Millionenhöhe.
Pakistans Militär nähert sich Mingora
Militärsprecher Generalmajor Athar Abbas erklärte unterdessen, allein seit Freitag seien 72 Kämpfer der Taliban getötet worden. Auch drei Soldaten kamen ums Leben. Die Truppen kämen der wichtigsten Stadt des Tals, Mingora, immer näher.
Die von Malik genannte Opferzahl konnte nicht unabhängig überprüft werden, da das heftig umkämpfte Gebiet im Swat-Tal derzeit für Medienvertreter und Hilfsorganisationen zu gefährlich ist. Zudem machte Malik - wie zuvor bereits das Militär - keine Angaben zu Opfern unter der Zivilbevölkerung. Augenzeugen berichteten jedoch von zahlreichen Verletzten und Toten.
Rund 100.000 Menschen, die nicht bei Familie oder Freunden Zuflucht fanden, harren derzeit in provisorischen Flüchtlingslagern südlich des Kampfgebiets aus. Viele Fundamentalisten der Taliban sollen sich die Bärte abrasiert haben und mit dem Strom der Flüchtlinge aus dem umkämpften Gebiet geflohen sein.
Anschlag mit elf Toten in Peschawar
Der unruhige Nordwesten Pakistans wurde auch außerhalb des Swat-Tals von Gewalttaten erschüttert. Bei einem Bombenanschlag in der Stadt Peschawar wurden elf Zivilpersonen in den Tod gerissen, darunter vier Kinder. Ein kleiner Schulbus, der behinderte Kinder nach Hause bringen sollte, wurde schwer getroffen; alle acht Schüler darin überlebten verletzt. Etwa 20 weitere Zivilpersonen wurden laut Polizei verletzt.
Der Sprengsatz explodierte vor einem Internet-Café, das weitgehend zerstört wurde. Einem Polizeisprecher zufolge hatte das Café bereits mehrfach Drohungen von islamischen Fundamentalisten erhalten, die das Internet als Quelle für unmoralische Inhalte betrachten.
Bei einem mutmaßlichen US-Raketenangriff im Grenzgebiet zu Afghanistan wurden unterdessen mindestens 29 Menschen getötet. Ziel des Angriffs war eine islamische Schule, die nach Angaben aus Kreisen der pakistanischen Sicherheitsbehörden von den Taliban als Ausbildungslager genutzt wurde.
Den Geheimdiensten zufolge befanden sich unter den Opfern in der Stadt Mir Ali außerdem vier mutmaßliche ausländische Kämpfer mit Verbindungen zum Terrornetzwerk Al Kaida. Dutzende von Menschen seien verletzt worden.
US-Angriffe im Grenzgebiet mit Raketen
Die US-Streitkräfte greifen seit mehr als einem Jahr mutmaßliche Verstecke von Al Kaida und Taliban-Kämpfern im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet mit Raketen an, die meist von unbemannten Drohnen aus abgeschossen werden. Offiziell bestätigt oder dementiert werden diese Angriffe von den USA selten. US-Militärsprecher haben aber darauf verwiesen, das in letzter Zeit eine Reihe von Al-Kaida-Kommandeuren getötet worden seien.
Präsident Barack Obama hat erklärt, für den Sieg in Afghanistan müssten die Al-Kaida-Stützpunkte und Verstecke in den quasiautonomen Stammesgebieten in der nordwestpakistanischen Grenzregion eliminiert werden. Die pakistanischen Streitkräfte haben das zerklüftete Gebiet nicht unter Kontrolle.
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