■ Ökolumne: Paket für Katastrophen Von Graciela Chichilnisky
Die Versicherungsindustrie ist in den vergangenen Jahren von Katastrophen gebeutelt worden. Überschwemmungen am Mississippi, der Hurricane Andrew und das Erdbeben von San Francisco, um nur einige US-Beispiele zu nennen. Die zehn kostspieligsten Katastrophen seit 1989 haben allein 70 Milliarden Mark gekostet.
Gleichzeitig ist das Risiko einer solchen Katastrophe nicht voraussehbar. Das globale Klima scheint sich zu verändern, wir können nicht prognostizieren, wie viele Hurricanes, Sturmfluten oder Trockenheiten eine Region heimsuchen.
Weil das so ist, haben die Versicherer dieser Welt seit Jahrzehnten sogenannte Rückversicherer genutzt, Unternehmen, die im Fall einer größeren Katastrophe den üblichen Hausrat- und Feuerversicherern unter die Arme greifen und dafür in normalen Zeiten von ihnen eine Prämie erhalten. Doch die Katastrophen der vergangenen Jahre haben diese Rückversicherer viel Geld gekostet. Die Naturkatastrophen scheinen größer, und die Kosten für das vernichtete Eigentum sind um ein Vielfaches höher als früher. Für viele Rückversicherer, die eigentlich Risiken abfedern sollen, sind diese Gefahren selbst zum Existenzrisiko geworden.
Weil die Zahl der unvorhergesehenen Katastrophen so gestiegen ist, sind die Rückversicherer dazu übergegangen, ihre Prämien drastisch zu erhöhen und in bestimmten Regionen sogar den Versicherungsschutz völlig zu verweigern.
Doch es gibt eine vernünftige Alternative. Ein moderner Kapitalmarkt kann neben den Versicherungen auch sogenannte Risiko-Futures anbieten. Ein Katastrophenpaket mit Versicherungspolice und solchen Anlagepapieren ist die Antwort auf die neuen Risiken.
Solche Anlagepapiere werden schon seit 1993 an der Börse von Chicago gehandelt. Die Idee: Mit dem Kauf solcher Katastrophenpapiere können Leute, die ihr Geld für eine ordentliche Rendite riskieren wollen, dieses einsetzen. Und diejenigen, die ein Risiko unbedingt vermeiden wollen, können sich absichern.
Kommt es nicht zur Katastrophe, verdient der Anleger bei diesem Roulette. Kommt es jedoch zur Katastrophe ist sein Geld mehr oder weniger futsch. Und der Versicherte: Kommt es nicht zur Katastrophe, bezahlt er für seine ruhigen Nächte eine ordentliche Prämie, kommt es jedoch zur Katastrophe, winkt zumindest teilweiser Ersatz.
Schon im Italien des 15. Jahrhundert hatte Monti di Pasachin di Siena, Italiens älteste Bauernbank, ein solches Modell kreiert. Die Bauern sammelten gemeinsam in guten Jahren Notgroschen für die schlechten.
Doch wer, außer einigen Roulette-Spielern, sollte Katastrophen-Futures kaufen? Das amerikanische Beispiel lehrt, zum Beispiel die Bauindustrie. Wenn es mehr Katastrophen gibt, gibt es mehr zu bauen, die ausgezahlten Versicherungsprämien sorgen dafür, daß Bauherren auch das nötige Kleingeld für einen Neubau haben.
Eine Rückversicherung kann künftig für ihre Kunden aus der klassischen Versicherungspolice und solchen Katastrophen-Papieren ein maßgeschneidertes Paket schnüren. Der klassische Versicherungsfonds wird so ausgelegt, daß er ausreicht, wenn es in einem Jahr nur zu wenigen schweren Wirbelstürmen kommt. Sollte aber die Schäden doppelt so hoch wie normal sein, kann man mit Hilfe der Katastrophenpapiere das eigenen Risiko weiter begrenzen und damit auch das Risiko der Leute, die nur eine Feuerversicherung für ihr Häuschen am Strand gesucht haben.
Im Extremfall sieht das Modell so aus, wie im vergangenen Jahr in Kalifonien probiert. Investoren sollten ein Wertpapier kaufen, daß in den kommenden zehn Jahren das Risiko eines großen Erdbebens in Los Angeles versichert. Kommt das Erdbeben nicht, verdienen die Zeichner des Papiers in jedem Jahr eine ordentliche Prämie, kommt das Erdbeben in den zehn Jahren doch, ist das ganze Geld futsch. Mit solchen Modellen können moderne Industriegesellschaften auf neue Risiken wie die Klimaveränderung reagieren und vielleicht sogar Nutzen aus ihnen ziehen. Das ist notwendig. Denn der Reichtum einer Gesellschaft basiert auf ihrer Fähigkeit, mit Risiken umzugehen.
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