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Archiv-Artikel

PUBLIZIST. 5. SEPTEMBER 1959 – 12. JUNI 2014 Frank Schirrmacher

VON HERLINDE KOELBL

Es war eine spannende Zeitreise, die ich in den acht Jahren von 1991 bis 1998 mit Frank Schirrmacher erlebte. Ich erinnere mich gut an seine Aufbruchsstimmung, als er in die Fußstapfen von Reich-Ranicki trat und Leiter der Redaktion „Literatur und literarisches Leben“ bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wurde. Er war fasziniert von den Möglichkeiten, die sich ihm dadurch boten. Auf meine Frage, was denn das Lustvolle an der Macht sei, antwortete er: „Etwas zu machen, worüber am nächsten Tag die Nation spricht, das macht großen Spaß.“

Er wollte eine „Meinungsführerschaft“ seiner Zeitung erreichen. Dabei scheute er nicht die Konfrontation und zeigte „Mut zur Eindeutigkeit“. Immer wieder versuchte er durch aktive Themensetzung, der Vergänglichkeit, mit der er sich immer wieder beschäftigte, zu entkommen. Als ich ihn fragte: „Wie soll man sich an Sie erinnern?“, war seine Antwort: „Als den größten Publizisten seit Martin Luther.“ Seine Erinnerung an unsere acht gemeinsamen Jahre, in denen wir seine Veränderung erforscht haben, lautete: „Frau Koelbl, Sie waren eine Norne. Das hatte durchaus etwas Beunruhigendes, weil man ja plötzlich Gedanken und Erfahrungen eines Jahres auf eine Formel bringt, die so nie wahr war. Das ist alles ein großer Roman, auch wenn man versucht, wahrhaftig zu sein. Das Ganze ist wie im Dorian Gray von Oscar Wilde. Das Bild altert, und man selber fühlt sich noch jung.“

Herlinde Koelbl, 75, ist Fotografin und Dokumentarfilmerin. Für die Langzeitstudie „Spuren der Macht“ begleitete sie acht Jahre lang fünfzehn Politiker, Persönlichkeiten der Wirtschaft und Medienmacher, darunter Angela Merkel, Gerhard Schröder und eben Frank Schirrmacher