PROMINENZ IM M 29 : Spot an!
Irgendwo zwischen Pücklerstraße und Görli muss Ilja Richter zugestiegen sein. M 29 Richtung Westen. Ich hätte ihn gar nicht bemerkt, wären nicht ungefähr zur gleichen Zeit eine Lehrerin und um die zwanzig Kinder eingestiegen. Auf Schulausflug, wie es schien. Der nicht mehr ganz jungen Lehrerin baumelten zwei Zöpfe über dem Strickpulli und sie war sehr aufgeregt: „Das ist wahre Geschichte.“ Das ganze untere Busgeschoss durfte teilhaben. „ZDF-Hitparade – da steht Ilja Richter, ach Mensch.“
Rocco, Esmi, Jason und die anderen etwa Zehn- bis Zwölfjährigen nahmen die wahre Geschichte mit Spannung auf. „Wo denn, wo denn?“ – „Da vorne, der mit dem Hut.“ So kam auch ich dazu, Ilja Richter im M 29 zu bemerken. Mit braunem Mantel und braunem Hut. Also, ich verließ mich da auf das Urteil der Pädagogin, erkannt hätte ich ihn nicht. Und Ilja Richter zeigte sich auch nicht besonders erkannt. Eher stoisch. „Hallo, Herr Richter“, rief Rocco quer durch den Bus. Als würde man zu Ilja Richter „Herr Richter“ sagen.
„Ach, den kennen ja nur noch die Eltern“, erklärte die Lehrerin einem der Pubertät schon länger entwachsenen Fahrgast so laut, dass es auch der Herr Richter vorne gehört haben dürfte. „Wenn überhaupt“, entgegnete der Fahrgast etwas leiser. Dann stieg die Lehrerin mit ihrer Bande aus, verwarnte noch den Rocco: „Du kommst mir nicht mehr mit, du bist mir zu laut.“
Ich hatte noch ein paar Stationen, verlor Ilja Richter aber irgendwann aus den Augen. Später vergewisserte ich mich, dass er es wirklich gewesen war, und fand ihn im Internet in quasi gleicher Montur. Nebenbei war noch zu erfahren, dass er natürlich nicht die Hitparade moderiert hatte – das war der andere –, sondern „Disco“. „Licht aus“ und so. Dann flimmerte nur konsequent „Die Lümmel von der ersten Bank“ vor meinem inneren Auge. Der Ilja Richter, ach Mensch. MANUELA HEIM