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PRODUKTIVER DISSENS ZWISCHEN CHRISTOPH ZÖPEL UND JOSCHKA FISCHERBruch mit dem Obrigkeitsstaat

Nun da Joschka Fischer von seiner jüngsten Auslandsreise zurückgekehrt ist, muss der Außenminister eine schwierige Entscheidung treffen. Soll er seinen Staatsminister Christoph Zöpel entlassen? Gründe dafür hat Zöpel seinem Chef genug geliefert. Nichtsdestotrotz sollte er bleiben dürfen.

Sein Vergehen besteht darin, in einer europapolitischen Grundsatzfrage anderer Meinung zu sein als sein Dienstherr. Sein politisches Leben hat er aufs Spiel gesetzt, weil er den Dissens öffentlich machte. Wenn Fischer seinem Untergebenen trotzdem die Stange hält, würde der Vizekanzler erstmals zu einer neuen politischen Kultur der rot-grünen Bundesregierung beitragen.

Weil Rot-Grün sich im ersten Jahr stets Zerstrittenheit vorhalten lassen musste, beherrscht jetzt ein Aberglaube die Regierungsparteien: Großes Unglück bräche über sie herein, wenn sie Meinungsunterschiede in ihren Reihen zuließen. Die Ununterscheidbarkeit der politischen Aussagen ihrer Funktionäre ist zum Fetisch geworden, die Medien (und natürlich auch die taz) spielen mit – jede Abweichung vom offiziellen Kurs ist eine Schlagzeile.

Was dabei auf der Strecke bleibt, ist die Möglichkeit zur politischen Debatte. Erst durch die Auseinandersetzung mit abweichenden Meinungen werden bekanntlich Positionen revidiert – oder auch auf ein höheres Niveau gebracht. Der Fall Zöpel zeigt, dass die Einwände aus dem eigenen Lager noch am ehesten auf Gehör stoßen, da der politischen Gegenseite nur selten lautere Motive für ihre Kritik zugebilligt werden. Gerade deshalb sind Beiträge wie der des Staatsministers wichtig.

Spielen interne Kritiker aber nicht zwangsläufig dem politischen Gegner in die Hände? Ist Christoph Zöpel nicht Edmund Stoibers billigster Scherge? Nein, das Gegenteil ist richtig. Wenn Fischer Zöpel deckt, bricht er mit einem Überbleibsel des Obrigkeitsstaats: Wer den Kopf aus dem Mainstream streckt, dem droht die Enthauptung. Rot-Grün würde den Stoibers des Landes demonstrieren, dass diese Regierung innere Pluralität aushalten kann. In der Psychotherapie gilt es als Zeichen von Reife, Widersprüche auszuhalten. Vielleicht ist Fischer als Person wie als Politiker so reif.

Weil Zöpel der rote Mann im grünen Ministerium ist, kann der Außenminister über seine Entlassung nicht alleine befinden. Gerhard Schröder will als Chef aller Sozialdemokraten zumindest konsultiert werden. So autoritär wie Schröder, der Machtwortkanzler, sich manchmal gibt, stieße Fischer mit einem Entlassungsantrag sicher auf offene Ohren. Umso mehr schmückt es Fischer, wenn er das Recht des Dissidenten auf eine eigene Meinung verteidigt. PATRIK SCHWARZ

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