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Archiv-Artikel

PRIVATE ALTERSVORSORGE HILFT NICHT GEGEN DEMOGRAFISCHEN WANDEL Aktien sind keine Inseln

Im Jahr 2050 wird die Hälfte der Bevölkerung älter als 48 Jahre sein; ein Drittel der Deutschen hat dann bereits den 60. Geburtstag hinter sich. So sagen es die nüchternen Daten des Statistischen Bundesamtes. Es sind unvorstellbare Zahlen. Zwar ist der „demografische Wandel“ inzwischen zu einem der meist gebrauchten Politausdrücke geworden – doch bleibt unfassbar, was er beschreibt. Wie wenig wir verstehen, was die Alterung einer Gesellschaft bedeutet, zeigt nichts besser als der unbeirrte Glaube an die private Vorsorge.

Zunächst scheint es so logisch: Wenn immer weniger Junge immer mehr Alte versorgen müssen, dann dürfte ein Problem mit der Rentenfinanzierung entstehen. Aber gemeinhin wird angenommen, dass diese Schwierigkeit nur bei der staatlichen Altersversorgung entsteht. Deswegen wird die private Vorsorge ja so propagiert. Das individuelle Sparen wird wie eine Insel für die glückseligen Anleger betrachtet, die von der allgemeinen Gesellschaftsentwicklung unberührt bleibt. Das dürfte sich jedoch als Irrtum erweisen, wie die Prognosen für zwei beliebte Anlageformen zeigen – die Immobilie und die Aktie.

Bestimmt ist es vorteilhaft, eine Wohnung zu besitzen, in der man selbst lebt. Aber schon eine zweite Immobilie dürfte in einigen Jahren nicht mehr so viel Freude bereiten. Denn wer sollte sie kaufen oder mieten, wenn kaum noch Junge eine Bleibe suchen? Bei der Aktie ist es nicht besser. Die Dividende wird auf den Gewinn gezahlt – das Unternehmensplus dürfte jedoch sinken, wenn der Nachwuchs fehlt. Die Löhne steigen bekanntlich, wenn Arbeitskräfte knapp werden.

Manchmal wird gehofft, dass sich dieses Dilemma vermeiden lässt, indem man seine Aktien weltweit streut. Doch zeigen die Daten der anderen Staaten, dass die Bevölkerung in allen Industrienationen und in vielen Schwellenländern ebenfalls rasant vergreist. Das demografische Problem lässt sich also nicht ins Ausland verlagern, indem fremde Junge die eigenen Alten unterhalten.

Wir müssen uns damit abfinden: Die Industrienationen steuern auf eine Entwicklung zu, die in der menschlichen Geschichte bisher unbekannt war. Noch nie mussten die Interessen zwischen Jungen und Alten ganz neu verhandelt werden. Diesem Konflikt kann man sich nicht entziehen, indem nur die Rentenversicherung technisch umgestaltet wird. Aber vielleicht ist das gar nicht schlimm: Eine Gesellschaft mit vielen Alten muss ja nicht nur Last sein, sondern enthält die Chance, über Zusammenleben neu und kreativ nachzudenken. ULRIKE HERRMANN