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Archiv-Artikel

PRESS-SCHLAG Ihr habt keine Ahnung vom Fußball

E-JUGEND Pepe und Bert waren Kumpels. Doch dann kam dieses Förderprogramm „Perspektive 2018“. Und zerstörte alles

Bert und Peter waren die besten Freunde gewesen, auf dem Platz und abends beim Bier. Bert trainierte die erste Mannschaft der vereinseigenen E-Jugend und Peter, der allgemein nur „Pepe“ gerufen wurde, die zweite. Die Vorstellungen, worin die Auflagen eines E-Jugendtrainers bestünden, waren dabei durchaus verschieden. Zwar stand bei beiden die Freude am Spiel im Mittelpunkt, doch legte Pepe mehr Wert auf Disziplin; vor allem aber war er der engagiertere Coach, rief seine Jungs und Mädchen immer wieder zur Ordnung: Sein Schrei „Positionen“ war schnell zum Quell heiterer Kommentare der Elternschaft geworden.

In schöner Regelmäßigkeit forderte Pepe Freund Bert von der 1. Mannschaft zum Duell – klar: Er hatte ja auch nur zu gewinnen. Verlor sein Team hoch, war das in Ordnung, denn sie war die zweite Mannschaft, mit den „schlechteren“, das heißt den jüngeren oder körperlich weniger entwickelten, den noch sehr verspielten Kindern. Verlor die 2. E hingegen knapp, hatte sie praktisch gewonnen. Und gewann sie gar, so war das natürlich einerseits auf die tollen Kinder zurückzuführen; hauptsächlich aber zeigt sich darin das pädagogische Geschick und die taktische Finesse eines Meistertrainers: Pepe.

Zu solchen Triumphen kam es nicht oft – aber wenn es zu ihnen kam, dann trübte das die Zuneigung von Pepe und Bert kein bisschen. Bei den langen Grillabenden im Sommer gaben sie nur Anlass zu liebevollen Frotzeleien. Die dunklen Wolken, die über ihrer Freundschaft aufzogen, kamen von außen.

Denn ihr Club, der sich bisher als auf Fußball spezialisierter Breitensportverein verstanden hatte, zielte auf Größeres. So wie das Viertel, in dem er zu Hause war, sich vom Armenhaus zum Szenebezirk entwickelt hatte, so wollte man nun nicht mehr Kindern schlicht einen Zugang zu Sport und Gemeinschaft ermöglichen, nein, jetzt wollte man selber mitmischen, wollte in den höheren Ligen spielen und dort sich in den oberen Tabellendritteln etablieren. Das „Perspektive 2018“ genannte Programm sollte den Verein binnen weniger Jahre zu einer der ersten Adressen der Stadt machen.

So kam es, dass jeder Spieler, der nach Meinung des Trainers der 1. E dieser bei Punktspielen helfen konnte, vom Trainer der 2. E abgegeben werden musste – was die 2. E natürlich schwächte. Dass Bert diese Vorgabe der Vereinsführung 1 zu 1 umsetzte; dass er dem Freund wie Bayern Dortmund die besten Spieler herausoperierte – das konnte Pepe nicht fassen. Wenn er darüber sprach, klang er bitter wie Mario Balotelli, wenn er, wie an diesem Wochenende, den Experten von Sky ein leises „non capite di calcio“, ihr habt keine Ahnung vom Fußball, entgegenknurrte.

AMBROS WAIBEL