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Archiv-Artikel

PRESS-SCHLAG Fadimes Mörder

„TATORT“ FRAUENFUSSBALL Der Sonntagskrimi verkommt zum volkspädagogischen Lehrstück

VON DENIZ YÜCEL

Es ist nicht ein beliebiger, fiktiver Mord, den die Kommissare Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Mario Kopper (Andreas Hoppe) an diesem Sonntag in der „Tatort“-Folge „Im Abseits“ aufzuklären haben. Nein, sie haben auch eine reale Aufgabe von nationalem Rang zu erfüllen, nämlich eine Woche vor Beginn der Frauen-WM ein Massenpublikum auf das Ereignis einzustimmen.

Im Mittelpunkt steht Fadime Gülüc (Filiz Koc), deutsche Nationalspielerin türkischer Herkunft, die gut spielt und noch besser aussieht und so zum Star des ambitionierten Provinzclubs FC Eppheim avanciert ist. Fadime wird ermordet, und Verdächtige gibt es zuhauf: die verdächtig neidische Mitspielerin. Der verdächtig biedere Verlobte. Die verdächtig muslimischen Eltern. Der verdächtig ehrgeizige Clubmanager. Die verdächtig stieselige Trainerin. Der verdächtig knuddelige Platzwart. Der verdächtig schmierige Fotograf.

Verdächtig realistisch sind auch einige Figuren: Für Fadime stand Nationalspielerin Fatmire Bajramaj Modell; für die Figur der Trainerin Bernd Schröder, der, nun ja, bodenständige Trainer von Turbine Potsdam. Hinzu kommen Joachim Löw, Oliver Bierhoff, Theo Zwanziger, Steffi Jones und Celia Okoyino da Mbabi, die sich in kleinen Rollen selbst spielen und den Mord an Fadime ganz schlimm finden. Und spätestens da drängt sich die Frage auf: Muss man das so machen? So penetrant, so hölzern, so gut gemeint?

Muss man, so fragt man sich weiter, einen Krimi ganz dem Bildungsauftrag unterordnen, um Vorurteile zu entkräften? („Für die meisten Männer sind wir keine Frauen, sondern Kampflesben.“) Muss man so selbstmitleidig um die Publikumsgunst buhlen? („Selbst vor der WM im eigenen Land wird der Frauenfußball von den meisten belächelt.“) Müssen deutsch-türkische Charaktere immerzu an die Gebote des Islam denken? („Ein guter Muslim wird in der Erde begraben.“) Muss man schließlich einen „Tatort“ zu einem Crashkurs zur Geschichte und Gegenwart des Frauenfußballs ummodeln?

Bei der ARD und dem DFB ist man der Ansicht: Ja, man muss. Und da wir im öffentlich-rechtlichen Fernsehen sind, ist es mit einer volkspädagogischen Aufgabe – aufklären, informieren, begeistern – nicht getan. Man hat es gern noch viel kritischer, weshalb man munter problematisiert und diskutiert: Die Gegenwart des Frauenfußballs ist unbefriedigend (kein Geld, kein Respekt), aber Professionalisierung ist auch nicht schön (Vermarktung, Medienhype, Sexualisierung). Individueller Aufstieg ist nicht sympathisch (Starallüren, Entfremdung), das altdeutsche Loblied auf Blut, Schweiß und Mannschaft auch nicht. Alles ist blöd, nur die kindliche Liebe zum Fußball nicht, weshalb immer wieder Familienvideos zu sehen sind, die eine junge, fußballbegeisterte Fadime zeigen – Kitsch.

Eingedenk dessen erstaunt es, dass der Krimi seinen routinierten Gang nimmt und der Plot halbwegs spannend bleibt, bis der Mord aufgeklärt wird. Nicht beantwortet wird indes die Frage, wer da „Im Abseits“ herumsteht: Fadime? Muslima? Der Frauenfußball? Der ganze Fußball? Egal, irgendwer steht immer im Abseits – sogar Profis, die die Abseitsregeln beherrschen.