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PRESS-SCHLAGDie Nepper von Albertville

■ Die Organisatoren der Olympischen Winterspiele 1992 greifen tief in die Taschen der Olympiabesucher

Am Ende schwarze Zahlen“ gedenken die Veranstalter der Olympischen Winterspiele von Albertville (8.-23. Februar 1992) zu schreiben, und um dieses Ziel zu erreichen, ist ihnen so ziemlich jedes Mittel recht.

Potentielle Besucher der Großraumspiele in den französischen Alpen sollten schon mal mit dem Sparen anfangen, denn die Finanzierung der Veranstaltung soll zu einem nicht geringen Teil aus den Geldbeuteln der Olympiatouristen erfolgen.

Eine Million Zuschauer, so hofft das Organisationskomitee (COJO), werden zur Olympiade der langen Wege anreisen und Einlaß zu den oft weit auseinanderliegenden Wettkampfstätten begehren. Diesen werden 20 verschiedene Eintrittskartenbündel mit zwei bis fünf Tickets angeboten, die etwa zwischen 60 und 550 Mark kosten. Runde 50 Millionen Mark gedenkt das COJO auf diese Weise einzusacken.

Der größte Hammer ereilt den Olympiagast jedoch, wenn er nach erlebter Medaillenjagd gedenkt, sein müdes Haupt zur Ruhe zu betten. Die Veranstalter haben bereits den größten Teil der 275.500 Hotelbetten in den zehn Wettkampforten gemietet und wollen diese den Besuchern zu Preisen anbieten, die rund 20 Prozent über denen der Hochsaison liegen.

Und damit die Leute nach Olympiaschluß nicht gleich wieder abhauen, sondern noch ein wenig die Schönheiten der Region genießen und auch wirklich ihren letzten Heller dalassen, gibt es praktisch keine Möglichkeit, sich nur für die Zeit der Spiele einzumieten. Das „Sonderangebot“ des COJO umfaßt den ganzen Monat Februar und kostet schlappe 7.000 Mark für ein Einzelzimmer. Mehr als 100 Millionen Mark sollen so in die Kassen des COJO fließen.

Insgesamt sollen die Winterspiele von Albertville etwa 2,8 Milliarden Mark kosten, ein wenig mehr als die Hälfte geben Staat und Gemeinden für Infrastrukturmaßnahmen aus, der Rest soll durch den Etat des COJO gedeckt werden. Davon jedenfalls geht der Generalmanager des Organisationskomitees Jean-Albert Corrand, von Beruf sinnigerweise Bauunternehmer, aus, obwohl etliche der Wettkampfstätten sich in diesem Winter als noch längst nicht olympiareif erwiesen haben.

Sorgenkind ist vor allem die Bobbahn von La Plagne, mit rund 65 Millionen Mark Baukosten die teuerste Neukonstruktion. Sie wurde auf wasserführenden Gesteinsschichten errichtet und es müssen Maßnahmen getroffen werden, um ein Abrutschen der Kurven zu verhindern. Auch andere Anlagen, wie die Strecke der Biathleten, die umstrittene Abfahrtspiste, deren Erprobung in diesem Winter wegen Schneemangels ausfallen mußte, oder die Sprungschanzen sind noch verbesserungsbedürftig.

Kein Problem für Monsieur Corrand: „Ein Zweck der Testwettbewerbe ist ja die Prüfung der Anlagen auf Herz und Nieren. Daß man danach noch Veränderungen treffen muß, sollte niemand überraschen. Dafür haben wir noch genügend Zeit und Geld.“

Im „ausgeglichenen Haushalt“ des COJO sind einige Einnahmeposten allerdings recht optimistisch kalkuliert, selbst wenn das Konzept der Franzosen, verglichen mit den zum Teil chaotischen, schlampigen und von horrenden Kostensteigerungen geprägten Planungen anderer Olympiastädte, durchaus solide erscheint.

Neben Einnahmen in Höhe von rund 400 Millionen Mark für die Fernsehrechte, 380 Millionen von Sponsoren und 275 Millionen von den öffentlichen Händen erhofft man, außer durch Eintrittskarten- Verkauf und Unterbringung etwa 25 Millionen durch die insgesamt zehn verschiedenen Olympiamünzen zu erwirtschaften.

Ob für diese hübschen Souvenirs allerdings noch jemand Geld übrig hat, wenn er die Gebühren für Eintrittskarten, Unterbringung und Transport entrichtet hat, dürfte mehr als fraglich sein. Matti

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