PRESS-SCHLAG: Das böse Buch
■ Warum die Olympier Schweden nicht mögen
Den Sekt hatten sie vorsichtshalber kaltgestellt in Östersund. Man konnte ja nie wissen. Obwohl es ganz unwahrscheinlich war, daß dreimal hintereinander ein europäischer Ort das Rennen machen würde. Für 1998 durfte sich Östersund realistischerweise keine Hoffnungen machen.
Machte man aber doch. Und ein Schuldiger dafür, daß es zum fünftenmal hintereinander für einen schwedischen Bewerber nicht klappte und statt dessen das japanische Nagano erwählt wurde, ist auch schon gefunden. Ein Buch ist's! Mitverfaßt von Lars Eggertz, dem Leiter der Kampagne, mit deren Hilfe die Spiele von 1992 nach Falun und Are gebracht werden sollten. Das olympische Spiel, so der Titel, sei doch eigentlich als Hilfe für künftige Bewerberorte gedacht gewesen, versichert Eggertz treuherzig. Und vor allem gar nicht gegen die hohen Herren des IOC gerichtet.
Woran schon beim Betrachten der Umschlagillustration erste Zweifel aufkommen können: ein Bündel von Dollar- und Franc- Banknoten, verziert mit den Konterfeis von IOC-Größen. Daß das Buch in den Reihen des IOC interessierte Leserinnen und Leser gefunden hat, konnten die schwedischen SportjournalistInnen prompt aus Birmingham vermelden: „So, aus Schweden kommen sie. Ihr seid doch die mit dem Buch, ja?“ So oder ähnlich soll nahezu jedes Gespräch mit IOC-Delegierten begonnen haben.
Bei der richtigen Einstimmung der IOC-Delegierten auf die Bewerberorte für eine Olympiade spielen auch großzügige Geschenke und „Aufmerksamkeiten“ eine wichtige Rolle. Inzwischen hat das IOC versucht, diese Dinge einzudämmen. Jedes IOC—Mitglied darf künftig nur noch einmal für höchstens drei Tage eingeladen werden, Geschenke sind nur noch bis zum Wert von 100 Dollar erlaubt. Bleibt die Frage, was unter der Hand passiert.
Das Olympische Spiel berichtet von den vielen kleinen Einzelheiten, die sich hinter den Kulissen abspielten, als Falun für Schweden ins Rennen ging, um dann vom französischen Albertville für 1992 geschlagen zu werden.: „Eines Morgens kam weinend eine unserer hart arbeitenden Hostessen und klagte, eine Stimme für Falun verloren zu haben. Einer unserer afrikanischen Gäste war am späten Abend ganz selbstverständlich davon ausgegangen, daß die Hosteß auch zu seiner nächtlichen intimen Gesellschaft zur Verfügung stehe. Deren unmißverständlicher Bescheid, daß dies nicht so sei, hatte eine ebenso klare Ankündigung zur Folge: keine Frau, keine Stimme!“
Doch auch großzügiges Entgegenkommen mußte nicht zwangsläufig den gewünschten Erfolg haben. So wurde für den Sohn eines Delegierten tatsächlich der begehrte Studienplatz an der Universität Uppsala organisiert. Doch der Sohn kam nie. Er begann sein Studium vielmehr im gleichen Jahr an der Pariser Sorbonne. Albertville ließ grüßen. Eggertz läßt es nicht bei solchen pikanten Beispielen.
Er fordert, den Sportverbänden das entscheidende Recht bei der Auswahl der Olympiaorte einzuräumen: „Wichtig ist doch, daß es gute Spiele für die Aktiven werden und nicht für die IOC-Delegierten, die sich zum großen Teil zu den Winterspielen gar nicht erst hinbemühen.“
Begeisterungsstürme, das dürfte klar sein, hat Das Olympische Spiel in den erlauchten Kreisen des IOC ganz bestimmt nicht ausgelöst. Und wenn in Birmingham dann auch noch jeder Delegierte eine englische Übersetzung des Buches erhielt, kann man sie auch verstehen, die Östersunder, wenn sie das Buch nicht gerade als Hilfe willkommen hießen. Für Jahre hinaus sei Schweden erstmal aus dem Rennen, unkte 'Dagens Nyheter‘. Doch für die Spiele im Jahr 2002, das ließ der nach Birmingham geeilte Ministerpräsident Carlsson durchblicken, wird Schweden wieder einen Bewerber ins Rennen schicken. Zum sechstenmal. Und möglichst ohne eine aktualisierte Auflage des Olympischen Spiels. Reinhard Wolff
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