PRESS-SCHLAG: Zuflucht der Hungrigen
■ Baseball, der Sport der fetten Männer
In den meisten Sportarten liebt niemand einen fetten Mann. Nicht so beim Baseball, der letzten Zuflucht der Hungrigen. Seit der 251 amerikanische Pfund schwere Babe Ruth bis zur Krankenhausreife Hot Dogs spachtelte, hat dieses Spiel eine perverse Anziehung für die Art von Spielern, die das Infield-Gras essen würden.
Oder den Schiedsrichter. 1928 wurde Fat Fothergill, im lähmenden Griff einer Radikaldiät, durch eine Entscheidung des Referee in Rage gebracht. Der 1,78 Meter große und 230 Pfund schwere Fothergill biß den Schiedsrichter in den Arm. Als er des Feldes verwiesen wurde, rief Fothergill: „Von mir aus, das war der erste Bissen Fleisch, den ich seit einem Monat bekommen habe.“
Seit die Yankees den 295-Pfund- Pitcher Jumbo Brown als „den Mann, der ein Taxi verschluckte“ ankündigten, stand Baseball den Fettleibigen immer wieder aufgeschlossen gegenüber. Brown setzte das Wohlwollen allerdings aufs Spiel, als er beim Bockspringen im Frühjahrstraining zwei Mannschaftskameraden ramponierte.
Der beste „Batter“ ist Cecil Fielder, der „Detroit Tiger“, dessen Taille die von Ruth dürr aussehen ließe. Fielder war enorm in der letzten Saison, als er 51 Homeruns schlug, und dann feierte, indem er sich den Winter über in der Küche einschloß. Coach Sparky Anderson war entsetzt, als er Fielder, Tonnage unbekannt, im Frühjahrstraining sah.
Seine Übungsschüsse beim All Star Game im Sky Dome von Toronto waren von legendären Dimensionen. Seine weitesten Bälle landeten vermutlich im Restaurant am Ende des Universums. Wahrscheinlich in der Pasta. „Es tut mir leid, wenn ich für Euch in der Lobby nicht so gut aussehe. Aber ich gehe da raus und spiele jeden Tag für Euch“, sagt Fielder. „Die Kritik an meinem Gewicht ist nicht fair.“
Fielder ist nur Teil eines breiteren Trends. „Tony Gwynn ist der beste Hitter im Baseball und er muß sich die ganze Zeit mit sowas rumschlagen“, sagt Fielder. In der Tat, das tut Gwynn. „Ich höre ständig Dickenwitze, über den Besuch in der Snack Bar zwischen den Innings oder, nimm die Hamburger aus der Hose!“, sagt Gwynn. „Ich weiß nicht, was mein Idealgewicht ist. Ich versuchte den ganzen Winter durch, es zu erreichen. Ich arbeitete jeden Tag daran. Ich kam von 218 runter auf 215.“ Da Gwynn kaum 1,78 Meter groß ist, scheint es fair, anzunehmen, daß er sich nach einigen Trainingseinheiten unten bei McDonald's abkühlte. „Jeder glaubt, daß ich schneller wäre, wenn ich zwanzig Pfund abnähme. Nun, ich weiß, ich wäre es nicht“, sagt Gwynn.
Gwynn erzählt gern, wie er beim All Star Game so rund aussah, daß ein Ordner ihn nicht reinlassen wollte und verlangte, seinen Presseausweis zu sehen. (Hmmmm.) Wo man auch hinschaut, es ist das Jahr des großen Mannes. Der Spitzenreiter in „saves“ ist Lee Smith, der 250 Pfund zugibt, aber wie eine kleine Nation aussieht. Über seine Lebensweise während der Saisonpause berichtete er, daß er Kniebeuge machte, während er mit seinem Sohn spielte. „Aber mein Kind kann nur bis zehn zählen und verpaßt dabei sogar immer ein paar Zahlen.“
Sieht man von Fielder ab, ist der am meisten aus der Form geratene Baseball-Star Kent Hrbek, der von seinen Teamkollegen beschuldigt wird, einige Vokale aus seinem Namen gefressen zu haben. Wo man auch hinsieht, verschlingen die Erben von Boog Powell und Aurelio Lopez die Liga. John Kruk, der aussieht, als habe er das Rad erfunden und es dann zu Mittag gegessen, bringt es auf hundert Runs.
Gwynn spricht für all seine kreisförmigen Geschwister, wenn er die Fans bittet, ein bißchen mehr Sympathie zu zeigen. „Sie neigen dazu, Burschen abzulehnen, die aussehen wie ich“, sagt er. „Es ist schwer für sie zu akzeptieren, daß jemand mit einem solchen Körper so viel Geld verdient.“
Besonders, wenn sie wissen, wofür er es wahrscheinlich ausgibt. Thomas Boswell
(Aus: 'Int. Herald Tribune)
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