PRESS-SCHLAG: Weiblicher Spartakus
■ Die Torhüterin Manon Rheaume könnte als erste Frau den Sprung in die Eishockeyliga NHL schaffen
Auch wenn sich die Chicago Blackhawks und die Montreal Canadiens jüngst bei ihren grobschlächtigen Auftritten in London noch so große Mühe gaben, das Rauhbein-Image der nordamerikanischen Eishockeyliga NHL hochzuhalten, es ist nicht zu leugnen: Eine der ehernsten Bastionen des Männlichkeitswahns in den USA und Kanada ist am bröckeln. Der Nachwuchs orientiert sich immer häufiger an der Eleganz eines Wayne Gretzky oder Mario Lemieux, das gute, alte Hinterwäldler-Eishockey, bei dem ein saftiger Fausthieb allemal mehr zählt als ein raffinierter Schlenzer, hat langsam ausgedient.
Mit knapper Not konnten die kanadischen Clubeigner, deren Angestellte sich noch am ehesten der traditionalistischen Variante des körperbetonten Hockeys befleißigen, kürzlich noch einmal die härtere Bestrafung von Schlägereien auf dem Eis verhindern, doch die Entwicklung zum technischen, strafzeitarmen Spiel, vor allem geprägt von Akteuren aus Europa, schreitet voran.
Kurz vor Beginn der Saison 1992/93 droht den Eis-Machos ein weiterer harter Schlag. Die Torhüterin Manon Rheaume, Weltmeisterin mit dem kanadischen Frauenteam, hat beste Aussichten, als erste Frau Eingang in die beste Eishockeyliga der Welt zu finden. Die 20jährige kämpft derzeit um einen Platz im Kader des neuen NHL-Clubs Tampa Bay Lightning und ist der absolute Medienstar der Saisonvorbereitung. Kamerateams folgen ihr auf Schritt und Tritt, und Tampas Pressesprecher Gerry Helper, der die schwierige Aufgabe hat, den eisigen Sport im heißen Florida populär zu machen, reibt sich die Hände. „Natürlich bringt sie unserem Team willkommene Publicity“, gibt er zu, betont aber: „Wenn ihre sportliche Qualität nicht stimmen würde, wäre sie nicht bei uns im Trainingslager.“
Am Sonntag steht Manon Rheaume bei einem Vorbereitungsspiel gegen die Minnesota North Stars, Stanley-Cup-Finalisten von 1991, im Tor, danach entscheidet sich innerhalb der nächsten zwei Wochen, ob sie diesmal den Sprung ins Team schafft, nachdem es im letzten Jahr bei den Montreal Canadiens nach einem Probetraining nicht ganz gereicht hatte. „Ich habe selten einen Goalie gesehen, der so flink ist“, sagt Neu-Profi Brent Gretzky, Bruder des großen Wayne. Die Kanadierin selbst räumt jedoch selbstkritisch ein, daß sie noch Schwierigkeiten mit dem hohen Tempo in der NHL habe.
Als Vorreiterin des Feminismus betrachtet sie sich nicht unbedingt, Manon Rheaumes Ambitionen sind primär sportlicher Natur: „Es geht darum, den Sprung in den Kader zu schaffen. Wenn das nebenbei noch Auswirkungen für die Frauenbewegung hat, bitte schön. Aber ich mache es für mich allein.“ Die Zeitung USA Today ist da weit euphorischer: „Es wäre, als wenn Meryl Streep die Filmrolle von Spartakus spielen sollte.“ Oder Madonna als Quarterback bei den Chicago Bears anheuern würde.
Schließlich ist auch der American Football nicht mehr das, was er einmal war, wie der Fall des Trainers Jackie Sherill zeigt. Der hatte seinem Team von Mississippi State vor dem Match gegen die Texas Longhorns die Kastration eines Longhorn-Kalbes vorführen lassen, um seine Boys entsprechend motiviert in den Kampf gegen die Football-Rindviecher zu schicken. Eine Handlungsweise, ganz im Geiste eines John Wayne oder Ronald Reagan, die vor gar nicht langer Zeit sicherlich noch ungeteilten Beifall gefunden hätte, zumal ein haushoher Sieg dabei heraussprang. Statt dessen erhob sich nun ein Sturm der Entrüstung, und der anfangs uneinsichtige Sherrill, der seine Show als „erzieherische Maßnahme“, als Lektion in Naturkunde quasi, verstanden wissen wollte, mußte sich schließlich gar entschuldigen. „Wenn er die Gefühle von irgendjemand verletzt haben sollte, so tue ihm dies leid.“ Das Kalb dürfte es mit Genugtuung hören. Matti
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