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Archiv-Artikel

PRÄSIDENTENWAHL IN LITAUEN: POPULISTEN PROFITIEREN VON ARMUT Explosive Mischung

Die Hoffnungen auf einen Neuanfang in Litauen waren groß, nachdem der vom Volk gewählte Staatspräsident in einer europaweit einmaligen Aktion seines Amtes enthoben worden war. Doch nach der ersten Runde der Präsidentenwahlen bietet die entscheidende Stichwahl nicht mehr viel Anlass für Hoffnung. Die LitauerInnen haben gegen den klaren Favoriten Adamkus die „falsche“ Kandidatin, Kazimiera Prunskiene, ins Rennen geschickt. Sie verspricht jedem Kleinbauern ein Überleben auch innerhalb der EU und den Arbeitern in Ignalina einen sicheren Arbeitsplatz in ihrem unsicheren AKW. Gegen jegliche politische Realität und ohne dass sie als tatsächlich in dieses Amt gewählte Präsidentin diese Versprechungen würde einhalten können.

Die Menschen auf dem Land und in den kleinen Städten, die sich immer weiter abgehängt gefühlt haben, je mehr sich Litauen der EU näherte und sie die Auswirkungen des marktwirtschaftlichen Kurses am eigenen Leib erfahren haben, wollen solchen Versprechungen glauben. Wollen das soziale Sicherungsnetz zurückhaben, das irgendwo auf dem Marsch vom Staatssozialismus zum Kapitalismus zerrissen worden ist. Jeder Politiker, der sich um sie kümmert, der ihre Sprache spricht und vor allem nicht zu den Parteien gehört, welche in den letzten Jahren an der Macht waren, kann auf ein dankbares Kreuzchen auf dem Stimmzettel rechnen. Gestern Paksas und heute Prunskiene oder – bei der Europawahl – Viktoras Uspaskikh: Litauens reichster Mann, dem ironischerweise gerade die Armen ihr Vertrauen schenkten.

Vorwürfe, die Wähler würden mit populistischen Sprüchen manipuliert, übersehen eines: Auch wenn die meisten Versprechungen unhaltbar sind – es sind die einzigen, die diejenigen bekommen, deren Einkommen und Renten zum Leben nicht mehr reichen. Ändert sich an diesem Zustand nichts, ist der Weg frei für einen Populisten nach dem anderen. Korruption, Armut und politischer Populismus sind eine gefährliche Mischung, mit der Litauen unter den postkommunistischen Ländern nicht allein steht. REINHARD WOLFF