PR vs. Journalismus: Im Körper des Feindes
Wie sich bekannte Journalisten vor den Karren der privaten PR-Hochschule Quadriga spannen lassen. Und darüber eher einsilbig Auskunft geben.
Den Clou hat sich Susanne Wegerhoff für den Schluss aufgehoben. "Das, was man in den Medien über Opel liest, ist zu 87 Prozent von uns gesteuert", sagt die Chefin der Konzernkommunikation des Autobauers vor knapp zwei Dutzend Studenten der privaten Quadriga-Hochschule in Berlin.
Es ist kurz nach 20 Uhr an diesem Freitag im Mai 2011. "Über sieben Brücken musst du gehen: Vom kommunikativen Krisenmanagement zur aktiven Imagegestaltung", hat Gastdozentin Wegerhoff die Stunde überschrieben. Es geht um Werksschließungen, Entlassungen, einen widerspenstigen Betriebsratschef und um Medien, die monatelang ein düsteres Bild von Opel gezeichnet hatten.
Die Stimmung im Unterrichtsraum dagegen ist heiter; schon während des Vortrags gibt es Bier. Wegerhoff zeigt viele bunte Diagramme, deren Kurven erst abwärts, später aufwärts zeigen und erklärt dazu sehr kurzweilig, wie man Journalisten motiviert, eine Firma mit angekratztem Renommee in ein besseres Licht zu rücken.
Die ganze Geschichte und viele weitere interessante Artikel lesen Sie in der sonntaz vom 13./14. August 2011 – ab Sonnabend zusammen mit der taz an Ihrem Kiosk oder am eKiosk auf taz.de. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo. Und für Fans und Freunde noch mehr sonntaz auf: facebook.com/sonntaz.
Hilfsbereite Journalisten
Dass Pressesprecher Medien für ihre Zwecke einzuspannen versuchen, ist Teil ihres Berufs. Zumindest erklärungsbedürftig ist es aber, wenn Journalisten dabei helfen, die PR-Profis jener Firmen, Organisationen oder Verbände auszubilden, die sie eigentlich kontrollieren sollen. Sieben prominente Medienvertreter engagieren sich für die Hochschule: im Kuratorium, als Mentoren der Studierenden oder Berater der Lehrbeauftragten.
Die Hochschule gehört zum Firmenkonglomerat um die Helios Media GmbH von Rudolf Hetzel. Der 37-Jährige hat mit Magazinen, Seminaren, Tagungen und Preisverleihungen eine Art Kontakthof für Abgeordnete, Pressesprecher, Lobbyisten und Journalisten etabliert. Sein Helios-Verlag (Politik & Kommunikation, Pressesprecher) veranstaltet mit viel Pomp und Prominenz jährlich einen Politik- und einen Kommunikationskongress.
Die 2009 gegründete Quadriga ist Hetzels neuestes Projekt. Bis zu 26.000 Euro kostet die 18-monatige Ausbildung zum Kommunikationsmanager. Präsident der Hochschule ist Peter Voß. Der langjährige SWR-Intendant hat dafür einige Kritik einstecken müssen. Der Hamburger Journalistikprofessor Volker Lilienthal zeigte sich "überrascht" ob dieses Engagements.
Voß sieht darin keinen Widerspruch. Pressearbeit sei zwar ein wichtiger Teil des Berufes, spiele aber in den Studiengängen keine entscheidende Rolle. Im Mittelpunkt der Lehre stünden die Kommunikation mit Mitarbeitern oder Investoren. Für Lilienthal ist das schwer nachvollziehbar. "Falls Pressearbeit tatsächlich nachrangig ist, stellt sich die Frage, wieso dann überhaupt Journalisten engagiert wurden", sagte Lilienthal der taz.
Strategie und Spielregeln
In der Vorlesung von Opel-Sprecherin Wegerhoff im Studiengang "Public Affairs & Leadership" geht es ausschließlich um Pressearbeit. "Wochenlang war nur Betriebsratschef Klaus Franz in den Medien präsent, die Konzernspitze kam praktisch nicht vor", sagt die 54 Jahre alte Wirtschaftshistorikerin. Der US-Konzern General Motors hatte Opel ungebremst an die Wand gefahren. Die finanzielle Lage war prekär, ein Verkauf gescheitert und Opel-Chef Nick Reilly hatte den Abbau von Tausenden Arbeitsplätzen angekündigt. "Wir waren für viele Redakteure nicht mehr als eine billige Headline", sagt Wegerhoff. Dann präsentiert die Managerin ihre Gegenstrategie, die sie "Entgiftung" nennt.
Quadriga-Präsident Voß spricht lieber von ethischen Standards wie dem Transparenzgebot, das an der Einrichtung gelehrt werde. Dafür, so Voß, stehen die im Kuratorium vertretenen Journalisten. Die reagieren auf Nachfragen zu ihrem Engagement jedoch meist einsilbig.
Christoph Lanz, Fernsehdirektor der Deutschen Welle, erklärt, er könne an der Quadriga seine "journalistischen Erfahrungen sehr gut einbringen". Und Thomas Schmid, Herausgeber der Welt-Gruppe, sagte der taz: "Ich habe diese Aufgabe angenommen, da ich es nicht für problematisch, sondern für sehr sinnvoll halte, wenn angehende PR-Leute lernen, was professionellen Journalismus ausmacht und was dessen Spielregeln sind."
Namen als Schmuck
Verena Wiedemann ist keine Journalistin, war aber bis zum 30. Juni Generalsekretärin der ARD. Einen Interessenkonflikt zwischen ihrer Funktion als leitende Angestellte eines öffentlich-rechtlichen Senders und dem Einsatz für eine private PR-Hochschule sieht sie nicht. Sie habe zu keiner Zeit redaktionelle Verantwortung für Programme der ARD getragen, begründet das die Medienrechtlerin gegenüber der taz. Den Vorwurf, dass sich die Quadriga mit dem Namen einer ARD-Generalsekretärin nur schmücken will, um Seriosität zu suggerieren, kann Wiedemann nicht nachvollziehen.
Einige Journalisten wollen über ihr Engagement an der Quadriga gar nicht sprechen. Sven Gösmann, Chefredakteur der Rheinischen Post, teilt mit, dass sich Voß zu dieser Problematik "gern und erschöpfend" äußere und er dem "wenig bis nichts hinzuzufügen" hat. MDR-Chefredakteur Wolfgang Kenntemich erklärt, er sei derzeit nicht an der Quadriga engagiert und werde deshalb keine Fragen beantworten. Auch Peter Limbourg, langjähriger Nachrichtenchef von Sat.1 und N24, ist nach eigener Aussage nicht mehr im Kuratorium vertreten. Zu den Gründen möchte er sich nicht äußern.
Einsilbige Journalisten
Die Quadriga wirbt auf ihrer Internetseite allerdings bis heute mit Kenntemich und Limbourg. Laut Rene Seidenglanz, Vizepräsident der Quadriga, sind beide Journalisten auch weiter an der Hochschule engagiert. Für eine Nachfrage der taz zu diesem Widerspruch waren Kenntemich und Limbourg nicht zu erreichen. Der Chefredakteur der Financial Times Deutschland, Steffen Klusmann, reagierte auf Anfragen erst gar nicht.
Dafür erläutert Präsident Voß seine Sicht auf das Verhältnis von Journalismus und PR. "Kenntnis und Verständnis der anderen Seite können von Vorteil sein", so Voß. Denn nur so könnten beide Seiten ihre Anforderungen artikulieren. Für den Medienexperten Lilienthal profitiert von diesem Austausch einzig die PR-Branche, "weil sie besser versteht, wie Journalisten ticken". "Namhafte Journalisten, die ihren Erfahrungsschatz weitergeben wollen, erwarte ich in der Journalistenausbildung, da werden sie bitter benötigt."
Dass Offenheit nicht zwangsläufig zum Handwerkszeug von Pressesprechern und PR-Profis gehört, demonstriert Opel-Frau Wegerhoff. "Regelmäßig haben wir ausgewählte Journalisten zu diskreten Treffen eingeladen", erklärt sie den Studierenden. Vertreter überregionaler Zeitungen wurden zu exklusiven Runden mit Opel-Chef Reilly mit Oldtimern am Bahnhof abgeholt. "Männer mögen das", weiß Wegerhoff. "Diese Gespräche waren streng vertraulich - daran haben sich auch alle gehalten."
Die Medien würden nun deutlich positiver berichten als vor anderthalb Jahren. Nur ein Student ist von der Markenpolitur noch nicht restlos überzeugt. "Von einem Imagewechsel habe ich nichts mitbekommen", sagt der junge Mann. Doch davon lässt sich Wegerhoff nicht provozieren. Lächelnd hält sie die aktuelle Ausgabe einer großen Tageszeitung hoch. Darin: ein Kommentar zu Opel. "Besser", so die PR-Expertin, "hätte ich das auch nicht schreiben können".
Der Beitrag ist Teil einer Recherche über "PR und Medien". Mit einer Recherche-Skizze zu diesem Thema gehörte der Autor 2010 zu den Gewinnern beim jährlich ausgeschriebenen Otto Brenner Preis für kritischen Journalismus. Die Otto Brenner Stiftung hat die Recherche mit einem Stipendium gefördert; das Netzwerk Recherche hat sie inhaltlich begleitet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“