PORTRÄT : Anni Friesinger-Postma
Die Hoffnung, da kann kommen, was wolle, die stirbt bekanntlich zuletzt. Was ein Glück ist für Anni Friesinger-Postma. Denn ihr erster Auftritt im Richmond Olympic Olval, der gab eigentlich keinen Anlass zur Hoffnung. Nur 14. über 1.000 Meter wurde die 16-malige Weltmeisterin. Mehr als eine Sekunde lag sie dabei hinter der kanadischen Olympiasiegerin Christine Nesbitt, eine Welt auf dieser Strecke. Aber „die Hoffnung auf eine Medaille über 1.500 Meter gebe ich nicht auf“, sagte sie trotzig.
Einen Anlass zu dieser eher unrealistischen Hoffnung gibt ihr seltsamerweise ein Malheur. Denn eingangs der zweiten Kurve wäre sie beinahe über die eigenen Beine gestolpert, ein eher untypischer technischer Fehler für eine Eisschnellläuferin der Spitzenklasse. „Das war einfach indiskutabel. Ich bin eine erfahrene Läuferin und stürze fast bei Olympia, das darf einfach nicht sein“, sagte die 33-Jährige anschließend. Und meinte: So was passiert mir nicht noch mal.
Tatsache aber bleibt: Obwohl am Sonntag mit den 1.500 Metern ihre in der Vergangenheit erfolgreichste Strecke ansteht, ist Friesinger-Postma doch nur Außenseiterin. Findet selbst Bundestrainer Markus Eicher: „Fehler hin oder her, wir haben uns mehr erwartet. Was sie gezeigt hat, ist enttäuschend.“
Die Enttäuschende selbst sah das etwas anders. Sie wäre ganz gut unterwegs gewesen bis zu ihrem Stolperer, meinte sie. Und versuchte dann das Debakel als gelungenen Test einzuordnen. Zum einen sollen nun die Videobänder des verkorksten 1.000-Meter-Laufs analysiert werden, um die technischen Fehler abstellen zu können. Zum anderen aber glaubt Friesinger aus ihrem Auftritt die Erkenntnis ziehen zu können, dass ihr Körper den Anforderungen wieder gewachsen sei. Was ein kleines Wunder wäre. Denn schließlich hat sie eine Saison voller Verletzungen und Trainingsausfälle hinter sich. Bei nur sechs Weltcup-Rennen konnte sie an den Start gehen, ihr bestes Ergebnis war dabei ein fünfter Platz. Seit 2008 ist sie zweimal am Knie operiert worden, hatte was an den Bändern und am Knöchel und auch noch die Schweinegrippe. „Wir haben nie über einen längeren Zeitraum kontinuierlich arbeiten können“, klagt ihr Trainer Gianni Romme. Auch die Aufregung im Vorfeld der Spiele, als Friesinger-Postma die Berufung von Gerald Lutz zum Olympia-Arzt der Eisschnellläufer öffentlich kritisierte, dürfte kaum zu einer gelungenen Vorbereitung beigetragen haben. Aber nach den 1.000 Metern konnte Friesinger immerhin erleichtert feststellen: „Das Knie hält, das ist gut.“
Ob das gut genug ist, bei ihren vierten Olympischen Spielen wider Erwarten doch noch eine Medaille zu gewinnen, das weiß niemand. Also hält sich Friesinger fest an der Vergangenheit, und wenn es die ihres niederländischen Ehemanns ist: Ids Postma war 1998 in Nagano über 500 Meter gestürzt und hatte dann doch noch Gold gewonnen über die 1.000. „Das mache ich jetzt auch so“, verkündete die Gattin.
Daran allerdings glaubt nicht mal so recht ihr eigener Manager. „Es muss schon alles passen, wirklich alles“, sagte Klaus Kärcher im Vorfeld. Nun, es passte ja einiges nicht beim ersten Versuch, vor allem die Einfahrt in die zweite Kurve. Wenn das nicht zur Hoffnung Anlass gibt.
THOMAS WINKLER