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PORTRÄTPuritanisch und pedantisch

David Souter, jüngster Verfassungsrichter der USA, gilt als Garant für eine neue konservative Mehrheit im US-Supreme Court  ■ Von Andrea Böhm

Berlin (taz) — „Live Free or Die“ lautet das Credo, das der US-Bundesstaat New Hampshire seinen Bürgern aufdrückt — und zwar auf die Nummernschilder ihrer Autos. Weil er das mit seinen religiösen Grundsätzen nicht vereinbaren konnte, machte sich ein Kfz—Besitzer und Zeuge Jehovas die Mühe, die pathetischen Insignien aus dem Kennzeichen zu kratzen. Doch der Bundesstaat New Hampshire in Gestalt seines Generalstaatsanwaltes duldete weder die Beschädigung der Nummernschilder noch seiner patriotischen Bekenntnisse. Nachdem auch die Berufungsinstanzen den Mann nicht verurteilen wollte, trieb der Staatsanwalt den Fall bis vor das Oberste Gericht der Vereinigten Staaten, den Supreme Court. Wo er verlor. Das war Anfang der 70er Jahre. Der Staatsanwalt hieß David H. Souter und ist heute Mitglied des US-Supreme Court. Vielen Kritikern erscheint diese Anekdote symptomatisch für die Person des 51jährigen, der vor wenigen Monaten im Obersten Gericht der USA die Nachfolge William Brennans angetreten hat: prinzipientreu, puritanisch und pedantisch, arm an Ausstrahlung und politischem Profil.

Doch politisches Gewicht hat David Souter allemal, denn nach wenigen Monaten Amtszeit scheint er die Erwartungen zu erfüllen, die George Bush mit seiner Nominierung in ihn gesetzt hatte: Im neunköpfigen Supreme Court die entscheidende fünfte Stimme für den konservativen Block um den Vorsitzenden Richter William Rehnquist, sowie Antonin Scalia, Anthony Kennedy und Sandra Day O'Connor zu stellen — und damit das Ende einer jahrzehntelangen liberalen Ära des Supreme Court einzuleiten, für die auch der Name William Brennan stand.

Mit Souters Stimme versetzte die neue konservative Mehrheit letzten Monat den BefürworterInnen des Rechts auf Abtreibung einen herben Schlag: In „Rust vs. Sullivan“ gab das Gericht einem Bundesgesetz den verfassungsrechtlichen Segen, wonach staatlich finanzierte Kliniken ab sofort nicht mehr über die Möglichkeit der Abtreibung informieren dürfen.

Düstere Aussichten prognostizieren deshalb Bürgerrechtsgruppen und Frauenorganisationen für die Anfang nächsten Jahres erwartete Grundsatzentscheidung in Sachen Abtreibung. Zur Disposition steht „Roe vs. Wade“, eine Supreme-Court-Entscheidung aus dem Jahre 1973, wonach das verfassungsmäßig geschützte Recht auf Selbstbestimmung auch das Recht einer Frau beinhaltet, sich für eine Abtreibung zu entscheiden.

Mehrere Bundesstaaten haben inzwischen vor dem Hintergrund einer neu aufgelegten Abtreibungsdebatte eben dieses Recht massiv eingeschränkt. Präzedenzfälle aus Pennsylvania, Utah, Guam und Louisiana stehen vor einer Überprüfung durch den Supreme Court. Souter, so fürchten die Frauen-und Bürgerrechtsgruppen und hoffen die „Lebensschützer“, wird auch in der anstehenden Grundsatzentscheidung den Ausschlag gegen das Recht auf Abtreibung geben.

„Roe vs. Wade“ — da sind sich BürgerrechtlerInnen, Frauengruppen aber auch BeobachterInnen des Supreme Courts einig — würde sicher unangetastet bleiben, säße Souters Vorgänger William J. Brennan noch auf seinem Richterstuhl. Doch der genießt das Pensionärsleben und schreibt ab und an juristische Fachartikel — unter anderem darüber, wie man Entscheidungen des US-Supreme Court umgehen kann.

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