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PORTRÄTDie benutzte Frau

■ Angela Merkel zur Stellvertreterin Kohls gewählt

Unter normalen Bedingungen wäre die Wahl einer erst 37jährigen Frau zur alleinigen Stellvertreterin des Parteivorsitzenden in der von alten Männern beherrschten CDU eine Revolution. Doch die Wahl Angela Merkels hat mit der Reform des Kanzlerwahlvereins nichts zu tun — eher im Gegenteil. Auch die heftigsten VerfechterInnen einer Quotierung werden nicht abstreiten, daß mit Merkel das Vakuum um Kohl größer wird und eine Profilierung der Partei gegen die Dominanz des Kanzlers von ihr nicht zu erwarten ist. Die Gründe für ihre Wahl sind andere, und sie sind exakt zu benennen: Angela Merkel kommt aus dem Osten, sie ist nicht Stasi-belastet, sie ist eine Frau, und sie tut, was Kohl ihr nahelegt. Vor allem das letzte dürfte sie für den Chef und seinen General Rühe so sympathisch machen.

Widerworte wie vom Ost-Mann de Maizière oder der West-Frau Süssmuth sind von ihr nicht zu erwarten, dafür spricht nicht zuletzt ihre jetzige Kandidatur. Erst vor knapp drei Wochen hatte sie sich von Rühe und Kohl in einem aussichtslosen Match in Brandenburg verheizen lassen. Trotzdem hielt sie sich für die taktischen Überlegungen Kohls weiter zur Verfügung, um nun als Ost-Vorzeigefrau in der CDU-Spitze zu dienen. Ihr Erschrecken nach der massiven Niederlage gegen den West-Reformer Ulf Fink um den Landesparteivorsitz in Potsdam spricht im übrigen für ihre politische Naivität und taktische Ahnungslosigkeit.

Tatsächlich kam sie erst vor drei Jahren zur Politik. In den Vorwendezeiten der DDR schloß sie sich dem Demokratischen Aufbruch an und gehörte auch hier schnell zur Anhängerin des großen Vorsitzenden Schnur. Als der Demokratische Aufbruch sich nach dem unfreiwilligen Abgang Schnurs spaltete, ging sie mit Eppelmann und anderen in die CDU, weil sie schon immer für Marktwirtschaft und die schnelle Vereinigung und gegen eine sentimentale DDR-Identität war.

Nachdem erst Schnur, dann de Maizière und Frau Bergmann-Pohl sich für höhere Weihen disqualifizierten, gelang es ihr, von der Pressesprecherin des letzten DDR-Ministerpräsidenten selbst zur Ministerin zu avancieren. Nachdem sie in ihrer Funktion als Frauenministerin in der Paragraph-218-Debatte brav zum Standpunkt des großen Vorsitzenden konvertierte, stand ihrer Karriere zur Kohl-Stellvertreterin nichts mehr im Weg, außer sie selbst. Doch Bedenken, die ihr nach Potsdam gekommen sein müssen, hat sie offenbar erfolgreich verdrängt, um weiter als Aushängeschild funktionieren zu können. jg

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