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PLO: Anerkennung durch Israel?

Elfte Runde der Nahost-Gespräche: Israelische Regierung wünscht Umzug des PLO-Hauptquartiers in den Gaza-Streifen oder nach Jericho / Palästinensischer Streik gegen Arafat  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Wenige Stunden vor Beginn der 11. Runde der Nahost-Friedensgespräche am gestrigen Abend verhandelten die israelische Regierung und die Palästinensische Befreiungsbewegung (PLO) über eine gegenseitige Anerkennung. Beide Seiten hatten in den letzten Wochen in Geheimgesprächen ein Abkommen für eine Teilautonomie der Palästinenser im Gaza- Streifen und der Stadt Jericho geschlossen. Nun will die israelische Regierung die PLO offensichtlich auch de jure als Vertretung der Palästinenser anerkennen. Bisher war die Organisation von allen israelischen Regierungen als „Terrorgruppe“ behandelt worden. Die PLO soll nun ihre Charta verändern, in der bisher noch die Vernichtung Israels gefordert wird.

Die israelische Regierung gab gestern bekannt, daß nach der formellen gegenseitigen Anerkennung der Umzug des PLO-Hauptquartiers samt PLO-Chef Arafat von Tunis nach Gaza oder Jericho von israelischer Seite höchst erwünscht sei. Nach Aussage des Generalsekretärs der regierenden Arbeitspartei, Nissim Zvili, soll dort die israelische Armee für den Schutz Arafats sorgen.

Der Schwerpunkt der weiteren israelisch-palästinensischen Gespräche wurde nach Washington verlegt. Dort sollen noch eine Reihe von Einzelheiten geklärt werden, bevor vermutlich nächste Woche die Grundsatzerklärung zu dem Autonomieplan unterzeichnet werden kann.

Das israelische Kabinett hatte in der Nacht auf Dienstag beschlossen, die israelische Verhandlungsdelegation damit zu beauftragen, das Abkommen in Washington zu unterschreiben. 16 Kabinettsmitglieder stimmten dafür, Innenminister Arieh von der religiösen Schas-Partei und Wirtschaftsminister Schitrit von der Arbeiterpartei enthielten sich der Stimme. Während der Nachtsitzung der Regierung fanden vor dem Amt des Ministerpräsidenten Protestdemonstrationen der rechtskonservativen und religiösen Parteien statt. Zusammen mit einigen tausend Siedlern aus den besetzten Gebieten skandierten ihre Anhänger: „Rabin ist ein Verräter!“ Zwanzig Demonstranten wurden vorrübergehend verhaftet, als sie versuchten, Mitglieder des Kabinetts auf der Straße „abzufangen“.

Auf einem gegenüberliegenden Hügel stand eine viel kleinere Gruppe von Aktivisten der israelischen Friedenbewegung „Peace Now“, die Spruchbänder mit der Aufschrift „Gebt dem Frieden eine Chance“ hochhielten. Eine größere Friedensdemonstration organisierte gestern der an der Regierung beteiligte Meretz-Block.

Bei der Regierungssitzung kündigte der bisherige Leiter der israelischen Verhandlungsdelegation, Rubinstein, in Washington seinen Rücktritt an. Er kritisierte, daß Aspekte des Abkommens mit der PLO im Gegensatz zu Instruktionen stünden, die er für die Verhandlungen von der Regierung erhalten habe.

In Washington sollen nach israelischen Angaben vier israelisch- palästinensische Kommissionen gebildet werden. Eine soll zwischen den zu gründenden palästinensischen Autonomiebehörden und Israel vermitteln. Eine zweite Kommission wird sich der geplanten engen wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den Autonomiegebieten und Israel widmen. Eine dritter Ausschuß soll sich mit der schrittweisen Verschiebung der israelischen Streitkräfte in den besetzten Gebieten befassen. In einem vierten Ausschuß sollen auch Vertreter aus Jordanien und Ägypten mitwirken und Probleme lösen, die alle vier beteiligten Seiten betreffen.

In den besetzten Gebieten und in Ost-Jerusalem demonstrierten gestern Palästinenser mit einem Generalstreik gegen die Autonomieabkommen. Zu dem Protest hatten zahlreiche Palästinenserorganisationen aufgerufen, darunter die islamistische Hamas-Bewegung. In der Hamas-Hochburg Gaza-Streifen wurde der Streikaufruf vollständig befolgt, in der Westbank zum großen Teil. Das Abkommen zwischen Arafat und der israelischen Regierung ist auch innerhalb der PLO heftig umstritten. Ein Sprecher der von George Habasch geführten „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ (PFLP) bezeichnete das Abkommen als „Täuschung“. Ein Vertreter der „Demokratischen Front zur Befreiung Palästinas“ (DFLP) unter Naef Hawatmeh bestritt, daß das PLO-Exekutivkomitee dem Vorschlag zugestimmt hätte. Beide Organisationen gehören neben Arafats „Fatah“ zu den wichtigsten Gruppen der PLO. Der Führer der außerhalb der PLO stehenden „Volksfront zur Befreiung Palästinas – Generalkommando“, Ahmad Dschibril, hatte gedroht, Arafat umzubringen.

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