PKK warnt Türkei vor Einmarsch in Irak

Der Aufmarsch der türkischen Armee an der Grenze zum Irak ist eine Drohgebärde, meint die PKK. Sollte die Türkei in einmarschieren, will die PKK sich auf Seite der irakischen Kurden schlagen.

PKK-Chefstratege Cemil Bayik ist einer der meist gesuchten Terroristen der Türkei. Fotos von ihm sind selten, dieses hier stammt von Anfang der 90er. Bild: dpa

KANDILBERGEN taz Die türkische Armee ist mit zehntausenden Soldaten und Panzerverbänden an der irakischen Grenze aufmarschiert. Der Generalstab hat mit einem Militärschlags gegen die türkisch-kurdische Rebellenorganisation PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) gedroht, die im Nordirak ihre Basen hat. Angesichts der Drohung sucht die kurdische Regionalregierung in Erbil händeringend nach einem diplomatischen Ausweg aus der Krise.

Ein Signal der Entspannung sendet auch Cemil Bayik, der Chefstratege der türkisch-kurdischen Rebellenorganisation PKK nach Ankara. "Unser Waffenstillstandsangebot gilt weiterhin", sagt Bayik im Gespräch mit dieser Zeitung. Voriges Jahr hatte die PKK einen einseitigen Waffenstillstand verkündet, in jüngster Zeit haben die Scharmützel zwischen der Guerilla und der Armee jedoch deutlich zugenommen. Bayik bezeichnet die Guerillaattacken als reine Selbstverteidigung. Sollte die Türkei ihre Militäroperationen gegen die Rebellen einstellen, werde die PKK die Waffen ruhen lassen.

Bayik gehört zur Gründergeneration der PKK und steht neben den beiden Führungsmitgliedern Murat Karayilan und Zubeyr Aydar ganz oben auf der Liste der meistgesuchten Terroristen in der Türkei. Wir treffen den 52-Jährigen in einem Seitental der Kandilberge in der Nähe der Kreisstadt Rania im irakisch-iranischen Grenzgebiet. An der Hauptstraße, die von hier ins Dreiländereck Türkei, Irak und Iran führt, wird der spärliche Verkehr an Checkpoints der Rebellen kontrolliert, statt der Trikolore der irakischen Kurden weht hier die PKK-Fahne.

In den Schluchten und Höhlen des Bergmassivs, das sich bis in den Iran erstreckt, hat die PKK ihre größte Basis und auch ihr Hauptquartier aufgeschlagen. Bis zur türkischen Grenze sind es mehr als 100 Kilometer. Wollte die Türkei die Rebellen von hier vertreiben, müsste sie die dazu die Luftwaffe einsetzen, wozu sie aber wiederum die Genehmigung der Amerikaner bräuchte, die den Luftraum über dem Irak kontrollieren. Weitere Lager der PKK befinden sich entlang der rund 370 Kilometer langen Grenze, dort hat die Armee in den vergangenen Wochen verstärkt schwere Artillerie eingesetzt.

Für ist das Säbelrasseln der türkischen Generäle vor allem eine innenpolitische Machtdemonstration. Mit seinen Drohungen wolle der Generalstab ein Klima der Angst erzeugen, in dem der Islam und die Kurden zur Bedrohung für den Staat aufgebauscht würden. Damit solle ein Sieg der gemäßigt islamistische AK-Partei von Recep Tayyib Erdogan bei den kommenden Wahlen verhindert werden.

Die PKK sei für Generalstabchefs Yasar Büyükanit nur der Vorwand, um neben Erdogan auch die kurdische Regierung im Nordirak zu schwächen und am Ende die Eingliederung von Kirkuk in deren Teilstaat zu verhindern. Zwar betrachte die PKK Kirkuk ebenfalls als Teil von Kurdistan, doch sollte dort eine multiethnische Verwaltung eingerichtet werden, eine Art Mini-Europa, sagt Bayik. Im Falle eines türkischen Angriffs werde sich die PKK auf die Seite der irakischen Kurden schlagen. Obwohl Iraks Kurden mit ihren rund 150.000 Bewaffneten wohl kaum auf die Hilfe der 3.000 bis 5.000 PKK-Kämpfer angewiesen sind, könnte die PKK sich sowohl im Nordirak wie in der Türkei auf Terrortaktiken verlegen - ein Albtraumszenario für die Region.

Dass die PKK es in der Hand hätte, zur Entschärfung der Krise beizutragen, in dem sie ihre Stellungen in Grenznähe räumt, weist Bayik von sich. "Wir waren schon in den Achtzigerjahren hier, lange vor der Regionalregierung und den Amerikanern." Zudem gehöre Kurdistan allen Kurden, egal auf welcher Seite der Grenzen. Obwohl sich die PKK vom Ziel eines kurdischen Staates in der Türkei verabschiedet hat, versteht sie sich weiterhin als gesamtkurdische Bewegung. Darüber hinaus hätten weder die Amerikaner noch die Regierungen in Erbil und Bagdad ein Interesse daran, die Guerilla insbesondere aus den Kandilbergen zu vertreiben, da sie hier die Grenze gegen die Infiltration durch islamische Extremisten aus dem Iran schütze. "Wir sorgen dafür, dass sie die Regionalregierung und die Amerikaner nicht attackieren", sagt Bayik.

In den letzten Monaten wurde immer wieder spekuliert, dass die Amerikaner die PJAK, den iranischen Ableger der PKK, unterstützen, um das Regime in Teheran zu destabilisieren. Diese Annahme nährte auch Bayik, der vor einem Jahr die PKK den "natürlichen Verbündeten der Amerikaner" nannte. Zwar bekundet der Chefstratege der Rebellen auch jetzt ein starkes Interesse an guten Beziehungen zu den USA, eine militärische Kooperation gegen den Iran schließt er jedoch aus: "Wir sind keine Söldner." Im Konflikt zwischen Washington und Teheran werde die PKK keine Partei ergreifen.

Anfang der Woche hat Iraks Regierungschef Nuri al-Maliki die PKK erneut als verbotene Organisation bezeichnet. In Washington stehen die Rebellen auf der Liste der weltweiten Terrororganisationen. Keine Seite habe verlangt, dass die PKK ihre Stellungen räumt. "Weder die Amerikaner, noch Bagdad oder die kurdische Regionalregierung haben uns zum Verlassen der Region aufgefordert", sagt Bayik weiter. Dass die PKK eine entsprechende Order befolgen würde, ist freilich unwahrscheinlich. Wie immer die Entscheidung über einen möglichen Einmarsch ausfällt, für die nahe Zukunft ist eine Lösung des Konflikts nicht in Sicht.

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