PHILIPPINEN: ABU SAYYAF IST MILITÄRISCH NICHT ZU BESIEGEN: Logik eines zynischen Geiselpokers
Ob die philippinische Kidnappertruppe Abu Sayyaf wirklich eine US-Geisel geköpft hat, lässt sich noch nicht bestätigen. Zuzutrauen ist es ihr aber, da die Rebellen bereits in der Vergangenheit ihre Skrupellosigkeit bewiesen haben. Es wäre auch im Sinne der Logik ihrer Gewalt – so zynisch dies klingt. Denn Geiselnahmen leben von der Drohung, die Opfer zu ermorden. Und diese Drohung wirkt glaubwürdiger, wenn sie nicht nur hohle Geste bleibt.
Die Geiseln sind allerdings auch Faustpfand und menschliche Schutzschilde. Das macht ihre Ermordung für die Geiselnehmer wenig sinnvoll – es sei denn, es können schnell neue Geiseln genommen werden. Dies ist im Süden der Philippinen leicht möglich, wo das Recht des Stärkeren gilt und es Tradition ist, kriminelle Geiselnahmen als Akt des Kampfes um Selbstbestimmung zu verbrämen. Zudem fanden die beiden Geiselnahmen, die bisher am meisten Aufsehen erregten, in bis dahin als völlig sicher geltenden Gebieten statt.
Verhalten sich die Abu-Sayyaf-Rebellen im Sinne ihrer kriminellen Logik rational, so gilt dies auch für die philippinische Regierung – zumindest kurzfristig. Sie will den Fall Wallert nicht wiederholen und diesmal hart bleiben; Washington unterstützt dies. Denn die millionenschweren Lösegeldzahlungen im letzten Jahr haben die Abu Sayyaf aufgerüstet und zu neuen Geiselnahmen ermuntert. Daher will sich die Regierung in Manila nicht noch einmal auf einen Deal wie im letzten Sommer einlassen, als sie sich auf eine friedliche Lösung einließ. Die westlichen Regierungen retteten zwar damit das Leben der ausländischen Geiseln, stellten dieses Interesse aber zugleich über die längerfristigen Erwägungen der philippinischen Regierung. Die muss sich jetzt mit gestärkten Kidnappern rumschlagen, und die neuen Geiseln müssen dafür ganz wörtlich den Kopf hinhalten.
Doch auch wenn sich die philippinische Regierung auf den ersten Blick rational verhält: Sie wird Abu Sayyaf mit militärischer Härte nicht besiegen können. Dies zeigen über 30 Jahre Krieg im Süden der Philippinen, wo militärische Unterdrückung immer wieder Gegengewalt erzeugt. Für eine echte Lösung müssen Rebellen und Bevölkerung wirtschaftliche und politische Alternativen geboten werden. Nur dann verlieren die Geiselnahmen an Rückhalt vor Ort. Die Regierung hat begrüßenswerterweise der größten Rebellengruppe Gespräche angeboten. Doch solange dies nur mit Kapitulationsforderungen statt mit Wirtschaftshilfe einhergeht, sind weitere Geiselnahmen vorauszusehen. SVEN HANSEN
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