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Archiv-Artikel

PHILIPP MAUSSHARDT ÜBER KLATSCHJETZT IST DIE DISKUSSION UM DIE RICHTIGE HALTUNG AUF DER TOILETTE AUCH IN ITALIEN ANGEKOMMEN Sitzen oder stehen?

Selten musste ich auf dem Klo so laut lachen wie vor drei Tagen auf der Herrentoilette von Televisione Libera in der Stadt Pistoia. Ich hatte sogar Angst, mein Gelächter könnte bis ins nebenan gelegene Studio des kleinen italienischen Privatsenders zu hören sein, wo gerade eine lokale Nachrichtensendung aufgenommen wurde. Gleich danach sollte ich vor der Kamera etwas über die Liebe der Schwaben zur Toskana erzählen.

Wie oft in italienischen Restaurants oder öffentlichen Einrichtungen gab es auch bei den Herren nur eine einzige Toilette, kein Pissbecken, und so stand ich, meine Sache verrichtend, vor der Schüssel und versuchte nebenbei den italienischen Text an der Wand zu entziffern, den Mitarbeiter des Senders auf einem Blatt Papier über der Kloschüssel angebracht hatten.

„Cari Signori“, begann der Text: „Sehr geehrte Herren. Bitte bedenken Sie, dass das, was sie in der Hand halten, kein Feuerwehrschlauch ist, und dass am Boden nichts brennt.“ Ich hatte schon viele Handlungsanweisungen zur richtigen Benutzung von Toiletten gelesen, aber diese brachte mich aus der Fassung. Es schüttelte mich geradezu vor Lachen, was leider genau den Effekt hatte, der durch den Zettel vermieden werden sollte.

Es fiel mir schwer, mich wenige Minuten später auf die Fragen des Fernsehmoderators zu konzentrieren, zumal er seinen Zuschauern als Erstes erzählte, die Schwaben würden im Nordwesten Deutschlands wohnen und dann wurde auch noch eine Landkarte eingeblendet, auf der Nürnberg als die Hauptstadt Schwabens bezeichnet wurde. Gerne hätte ich in diesem Moment einen Feuerwehrschlauch in der Hand gehabt.

Dann plauderten wir über die lange Beziehung Schwabens zur Toskana und kamen vom Staufer-Kaiser Friedrich II. relativ schnell auf Pinocchio, suchten nach Gemeinsamkeiten (Geiz, Nudeln, Hügellandschaft), und wäre die Zeit nicht schon um gewesen, vielleicht hätte ich noch erzählt, dass auch in Schwaben viele Männer im Stehen pinkeln.

Eigentlich ist das Thema in Deutschland umfassend abgehandelt. Es war sicher einer der größten Erfolge der 68er, den Klobrillen in nächtelangen Diskussionen zu mehr Beachtung verholfen zu haben. Jedenfalls ist die heutige männliche Studentengeneration ohne Murren bereit, im Sitzen zu pinkeln.

Nun scheint die Diskussion mit 40-jähriger Verspätung auch in Länder hinübergeschwappt, deren Patriarchen sich bislang noch an jedem Ort aufrecht hielten. Ein Mafia-Boss, der im Sitzen pinkelt, ist schließlich kaum vorstellbar. Es geht eben nicht nur um Sauberkeit, es geht auch um Menschenwürde.

Zu Hause habe ich meiner Frau schon vor einiger Zeit untersagt, die Klotüre, die ich selten verschließe, überraschend zu öffnen, um zu kontrollieren, ob ich sitze. Ich finde das entwürdigend. Jetzt versucht sie manchmal, durch die Milchglasscheibe zu spähen und am Umriss meiner Gestalt auf die Haltung zu schließen. Dann klopft sie und schimpft von außen.

Nach jahrzehntelangem Wohlverhalten bin ich wieder zur alten, anatomisch korrekten Haltung des Mannes zurückgekehrt. Ich muss an diesem Ort nicht länger beweisen, dass Gleichberechtigung eine wichtige Errungenschaft ist. Und sollte es trotz aller Vorsicht am Fußboden oder der Brille doch mal „gebrannt“ haben, gibt es ja schließlich einfachste Putztechniken. Vielleicht sollte ich beim nächsten Besuch von Televisione Libera einfach eine Packung Feuchttücher mitbringen.

PHILIPP MAUSSHARDT

Hinweis: KLATSCH Wie halten Sie es mit dem Toilettengang? kolumne@taz.de Morgen: Martin Unfried ÖKOSEX