PAVILLON AM UFER : Nur noch Tramezzini
Nicht dass man mich falsch versteht: Nicht jede Neuköllner Stampe ist es wert, erhalten zu werden. Das Verschwinden der Eckkneipen in der Nachbarschaft – von umtriebigen Quartiersmanagern zum „Körnerkiez“ ernannt – ist per se noch keine Gentrifizierung. Sondern trägt oft der Tatsache Rechnung, dass man mit dreieinhalb Stammgästen irgendwann kein Geschäft mehr machen kann.
Der Ufer-Pavillon an der Ecke Pannierstraße/Maybachufer war ein anderer Fall. Hier wurde bis vor ein paar Wochen jeden Mittag mit warmen Mahlzeiten versorgt: eine Crowd aus Bauarbeitern, Kreuzköllner Kreativproletariat, ausgewählten Landwehrkanal-Hängern und alleinerziehenden Müttern und Vätern samt Nachwuchs. Es gab Blumenkohlauflauf, Schinkennudeln, Kartoffelsuppe, auf Wunsch mit Würstchen. Als Nachtisch Waffeln.
Anfang des Monats waren die vergnügten Berlinerinnen, die den Laden betrieben, so lange ich hier mit dem Rad in den Uferweg entlang des Landwehrkanals einbog, plötzlich verschwunden. Die frühere Pächterin war in den Ruhestand gegangen und hatte ihr Rezept für Kartoffelsuppe mitgenommen. Junge Menschen mit Vollbart und Wollmützen auf dem Hinterkopf renovierten. Seit der Neueröffnung gibt es Cappuccino, White Flat und Tramezzini.
Ich werde nie verstehen, warum Leute dafür Geld bezahlen, dass man ihnen Essbares zwischen zwei Scheiben Weißbrot legt und Salatcreme drüberkippt. Das kann ich selbst, im Gegensatz zu Blumenkohlauflauf. Ach, hätte ich ihn nur öfter bestellt, solange es ihn noch gab.
Was bleibt, ist die bittere Erkenntnis, dass man in meiner Nachbarschaft als Gastronom überlebt, wenn man Speisen verkauft, die auf Weißmehlgrundlage beruhen und die man leicht beim Gehen zwischen malmende Kiefer schieben kann.
TILMAN BAUMGÄRTEL