PALÄSTINA: PRÄSIDENT ABBAS VERSCHIEBT PARLAMENTSWAHLEN : Falsche Prioritäten
Die Entscheidung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, die Parlamentswahlen auf unbestimmte Zeit zu verschieben, ist ein warnendes Signal für die Prioritäten des neuen Chefs in Ramallah. Der Kampf gegen die Korruption und für Demokratie steht offenbar nicht ganz oben auf seiner Liste. Angesichts wahlstrategischer Erwägungen lässt er seine früheren Verpflichtungen gegenüber dem derzeit stärksten Konkurrenten Hamas fallen. So funktioniert Demokratie nicht.
Der Fatah-Fraktion kam der Wahltermin noch vor dem israelischen Abzug aus dem Gaza-Streifen von Anfang an ungelegen. Sollte die derzeit von Israel und den Palästinensern angestrebte Koordinierung planmäßig verlaufen, dann wird die Fatah den Abzug im nun daran anschließenden Wahlkampf für sich ausschlachten können.
Nicht minder folgenschwer für den Wahlausgang kann sich der für Anfang August angesetzte Parteitag der Fatah auswirken. Die Partei leidet momentan an schweren inneren Auseinandersetzungen über ihre neue Identität als strikt politische Partei und ihrem Ende als Widerstandsbewegung. Offenbar hofft Abbas, dass der Parteitag eine Klärung in dieser Frage bringen wird.
Der Präsident hatte sich gegenüber der Hamas nicht nur zu dem Termin 17. Juli für die Wahlen verpflichtet, sondern auch hinsichtlich der Wahlmethode, die zunächst festlegte, dass die Hälfte der Kandidaten per Direktwahl, die andere Hälfte per Parteiliste benannt werden. Das von Abgeordneten der Fatah beherrschte Parlament entschied indes über eine Direktwahl von zwei Dritteln der Kandidaten. Diese Reform kommt vor allem den Kandidaten entgegen, die aus einflussreichen Familien stammen, und ist für die Fatah wie für die Hamas gleichermaßen von Vorteil.
Die Islamisten haben mit der neuen Methode weniger große Probleme als mit dem noch unbestimmten Termin für die Wahlen. Dennoch wird die Hamas eine offene Konfrontation unter den Glaubensbrüdern vermeiden. Nichts verschreckt den Wähler mehr als Gewalt in den eigenen Reihen.
SUSANNE KNAUL