: P O R T R A I T Nobelpreis für Arias: Eine Ohrfeige für Reagan
■ Die Verleihung des Friedensnobelpreises an Costa Ricas Präsidenten bekräftigt die mittelamerikanischen Staaten in ihren Bemühungen, den Frieden in der Region auch gegen die USA zu sichern / US–Regierung gratuliert enthusiastisch
Von Ralf Leonhard
Friede, das war die Botschaft, die Oscar Arias Sanchez während der letzten Wochen des Wahlkampfes verkündet hatte, und der Friede war es, der ihm am 6. Februar 1986 den unerwartet hohen Sieg über seinen konservativen Rivalen Rafael Angel Calderon sicherte. „Solange ich Präsident bin, werden unsere Kinder Schulbücher und keine Gewehre tragen“, versprach er. Die Sandinisten im benachbarten Nicaragua gehören dank antikommunistischen Trommelfeuers aus der costaricanischen Presse zu den Buhmännern der Nation. Doch das Thema Friede zog bei den um ihre wirtschaftliche Existenz besorgten Costaricanern mehr als die aggressive Linie Calderons, der das Land in den Krieg zu verwickeln drohte. Oscar Arias ist ein schüchterner Intellektueller von kleiner Statur, der seine Unsicherheit mit Arroganz überspielt. Er wuchs politisch heran unter der Protektion des Parteigründers und dreimaligen Präsidenten Jose Figueres, der 1970 den kaum 30jährigen Absolventen der London School of Economics als Planungsminister in sein Kabinett holte. Sein Bruch mit dem über 80jährigen Figueres, den er ins politische Ausgedinge schickte, kostete Arias viel Sympathien im linken Parteiflügel. Die „Partei der Nationa len Befreiung“ (PLN) ist seit 1976 Mitglied der Sozialistischen Internationale, und Arias wurde von der Friedrich–Ebert–Stiftung aufgebaut. Doch sein Verhältnis zur Internationalen Sozialdemokratie (SI), die Costa Ricas geradezu hysterische Angst vor den Sandinisten nicht teilt, ist zwiespältig: „Unser Verhältnis zur SI hält nur mit Spucke“. Mit Oscar Arias zog ein neuer Pragmatismus in den Präsidentenpalast ein. Der neue Chef ging davon aus, daß Stabilität in Zentralamerika die Voraussetzung für den wirtschaftlichen Aufschwung Costa Ricas sei. Die nicaraguanischen Contras, davon war er überzeugt, hatten keine Zukunft. Nur Entspannung der strapazierten Beziehungen zu Managua konnte die ersehnte Stabilität bringen. Gleichzeitig erhob Guatemalas Präsident Vinicio Cerezo Anspruch auf die Führungsrolle in der Region, als es ihm gelang, alle fünf Präsidenten Zentralamerikas zu einem Gipfeltreffen in Esquipulas einzuladen. Ein Ärgernis für Costa Rica, das einzige Land Lateinamerikas mit einer seit 1948 ungebrochenen demokratischen Tradition. Der Arias–Plan, der seinem Schöpfer nun den begehrten schwedischen Lorbeer beschert, hat viele Väter. Darunter eine Gruppe demokratischer Senatoren um Christopher Dodd und Guatemalas Präsident Cerezo, der das Projekt adoptierte und für die Sandinisten akzeptabel machte. Der Plan wurde Anfang des Jahres als Sabotageakt geboren, der die Contadora–Friedensinitiative unterlaufen sollte. Contadora ist es in vier Jahren Vermittlungstätigkeit nicht gelungen, Nicaragua und seine vier Nachbarn auf einen gemeinsamen Friedensplan zu verpflichten. Der Arias–Plan läßt alles weg, was Contadora zu kompliziert und vom Segen Washingtons abhängig macht: namentlich ausländische Militärpräsenz und internationale Manöver. Die Idee dahinter: Nicaragua soll im Rahmen der „Demokratisierung“ zu Zugeständnissen gegenüber der zivilen Opposition gezwungen werden. Als Gegenleistung verpflichten sich die anderen Präsidenten der Region, den Contras jede Unterstützung zu entziehen. Das eigentliche Verdienst des Oscar Arias besteht darin, daß er seinen Plan in Washington verteidigt hat und selbst dann nicht fallen ließ, als Reagan drohte, die Wirtschaftshilfe zu streichen. Arias läßt Contras entwaffnen und in Flüchtlingslagern internieren. Eine von den USA angelegte Flugpiste zur Versorgung der „Freiheitskämpfer“ wurde letztes Jahr stillgelegt. Der Nobelpreis ist nun eine politische Ohrfeige für Reagan - darüber kann auch Washingtons Gratulation nicht hinwegtäuschen, Arias habe den Preis „voll und ganz verdient“.
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