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Outsourcing bei der CharitéStreiken bis der Arzt kommt

Die Mitarbeiter der Charité-Tochter CFM streiken für ihre Gleichbehandlung mit den Charité-KollegInnen – und zweifeln an Senats-Versprechen

Schon im September vorigen Jahres demonstrierten CFM-MitarbeiterInnen für einen Tarifvertrag und Gleichstellung mit den Charité-KollegInnen Foto: dpa

Auf der Mittelallee des Virchow-Klinikums in Wedding herrscht am Mittwoch Mittag reges Treiben. PatientInnen sitzen im Schatten der Kastanien, Weißkittel eilen von links nach rechts. Auf einem Plätzchen stehen fünf Dutzend Menschen geduldig in drei Warteschlangen. Die MitarbeiterInnen von Charité Facility Management (CFM) wollen sich in die Streiklisten eintragen. Aus der Frage, warum sie dem Aufruf von Verdi zum Warnstreik bei der Charité-Tocher gefolgt sind, entwickelt sich ein reges Gespräch.

„Wir fühlen uns ausgenutzt, die Charité hat mit uns Millionen verdient! Eine staatliche Institution!“, empört sich eine Sterilisationsassistentin. Ein kugelrunder Mann mit Schnäuzer fällt ihr ins Wort. Er arbeite im Reinigungsdienst und verdiene nur 10 Euro brutto die Stunde. „Pah“, sagt ein Jungscher mit Basecap hinter ihm: „Wir bei der Sicherheit kriegen nur 9,45!“

Worin sich alle einig sind: Sie wollen endlich gleich behandelt werden mit den „Gestellten“. Das sind die KollegInnen, die an die CFM dauerhaft ausgeliehen sind, aber noch einen Charité-Arbeitsvertrag haben – ein echtes Privileg, denn für sie gilt der Charité-Tarifvertrag. Das bedeutet mehr Geld, mehr Urlaub, weniger Arbeit.

„Gestellt“ sind rund 600 der etwa 2.900 CFM-Mitarbeiter. In die 2006 unter Rot-Rot gegründete Firma wurden die nicht-medizinischen Bereiche der landeseigenen Charité ausgegliedert, um Kosten zu sparen. Das hat gut geklappt. „Ein Gestellter bei der Sicherheit hat 600 Euro netto mehr, arbeitet am Wochenende nicht in 12-Stunden-Schichten – und kriegt auch noch Weihnachtsgeld“, sagt der mit der Basecap.

Seit acht Monaten verhandelt Verdi mit der CFM-Geschäftsführung, im September wurde schon einmal gestreikt. Ziel ist laut Gewerkschaftssekretär Kalle Kunkel ein Tarifvertrag, der eine stufenweise Annäherung an den Charité-Tarifvertrag festhält. „Aber die Geschäftsführung sagt, dafür hätten sie keinen finanziellen Spielraum.“ Der fünftägige Warnstreik soll den Druck erhöhen, am ersten Tag hätten sich 200 Leute beteiligt, sagt Kunkel. „Das hat schon Effekte, auch wenn die Geschäftsführung sagt, bei ihnen komme nichts von dem Streik an.“ Am Donnerstag ist die Charité in Mitte dran, am Freitag das Benjamin Franklin in Steglitz, Samstag geht's zum SPD-Parteitag.

Denn es ist die Politik, die Kunkel und die KollegInnen besonders aufregt. Und das obwohl Rot-Rot-Grün sich im Koalitionsvertrag von der früheren Praxis des Outsourcing in öffentlichen Einrichtungen distanziert und verspricht, dass die CFM „vollständig in öffentliches Eigentum überführt“ wird, sobald der Vertrag mit den privaten Miteignern Ende 2018 ausläuft, die derzeit 49 Prozent der CFM-Anteile halten. Zudem will sich der Senat dafür einsetzen, dass Landesfirmen und deren Töchter Tarifverträge abschließen, die eine Angleichung an den Tarif des Öffentlichen Dienstes (TVÖD) beinhalten.

Doch die Streikenden haben Zweifel, dass es der Senat Ernst meint. „Seit Monaten passiert nichts“, klagt Kunkel. „Das dauert zu lange und wir verlieren jeden Monat Geld“, sagt ein Mann in der Schlange. „Wann hat die Politik je ihre Versprechen gehalten?“ fragt der junge Sicherheitsmann.Tatsächlich würde die Umsetzung des Vorhabens teuer fürs Land. Wie teuer, ist unklar, es kursieren Zahlen zwischen 23 Millionen (Verdi) und 30 Millionen (CDU) jährlichen Mehrkosten. Offiziell bleibt der Senat dennoch dran. Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) lässt ausrichten: „Es gibt konstruktive Gespräche auf betrieblicher und Landesebene.“

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