: Out of Oldenburg
Woher er kam, wohin er geht, was bleibt: „100 Prozent Dieter Bohlen“ – ein RTL-Heldenepos (Sa., 22.45 Uhr)
Tötensen. Der erfolgreiche Musikproduzent Dieter Bohlen hat vor Beginn seiner Karriere die Absicht gehabt, ein nützliches Mitglied der Gesellschaft zu werden. Das geht aus einer TV-Dokumentation hervor, die heute Abend im Privatsender RTL ausgestrahlt werden soll. Wie die taz erfuhr, soll Bohlen seinen Eltern zuliebe Betriebswirtschaftslehre in Göttingen studiert sowie in Jazzrockgruppen und Tanzkapellen mitgewirkt haben, bevor er sich der Produktion populärer Musik widmete.
Bei ihren Recherchen, die von RTL nach dem unerwarteten Erfolg von „Dieter – Der Film“ Anfang März in Auftrag gegeben wurden, ist die Hamburger Produktionsfirma MME auf bisher kaum bekannte Bilder aus dem Leben Bohlens gestoßen, die den gebürtigen Oldenburger in privaten Situationen zeigen, unter anderem als Heranwachsenden im elterlichen Straßenbaubetrieb und mit seiner Rockgruppe Mayfair, die bei ihrem ersten Auftritt vom spärlich erschienenen Publikum ausgebuht wurde.
Die Materialien, zu denen auch längst vergessene Videoausschnitte gehören, belegen zudem den Aufstieg der Band Modern Talking, mit der Bohlen in den Achtzigerjahren mit dem Exschlagersänger Thomas Anders Erfolge weit über die Grenzen Deutschland hinaus feierte. So sind unter anderem Auftritte in der britischen TV-Sendung „Top of the Pops“ und der „ZDF-Hitparade“ belegt. Weiterhin führt die Dokumentation aus, wie es wegen einer gewissen Nora, der Anders in der gemeinsamen Partnerschaft hörig gewesen sein soll, zum Bruch bei Modern Talking kam und Bohlen bei Veranstaltungen log, sein Partner liege mit Grippe im Bett, anstatt zuzugeben, dass der sich weigerte, mit ihm aufzutreten.
Dann aber … – ja, dann ist es nach 25 Minuten urplötzlich vorbei mit der Ernsthaftigkeit. Die Schwarzweißbilder aus Bohlens Jugend sind alle gezeigt, die Erinnerungen an die wilde Studentenzeit, den ersten Job, die große Liebe und den mühsamen Karrierestart erzählt, Peter Kloeppel hat – anders als erwartet – nicht ganz ernst mit Bohlen über dessen politische Überzeugung gesprochen, stattdessen plappern doch bloß wieder Naddel und Verona, und prompt ist es um die schöne Doku geschehen.
Einmal hat der frühere Poptitan noch einen Lacher, als er erklärt, wie er vor ein paar Jahren das Revival von Modern Talking eingefädelt hat: „Ich hab’ einfach meine alten Platten genommen, die ein bisschen schneller gemacht und so ’n Rapper dazugeschnitten.“ Doch dann mag man auch schon abschalten. Wenn es tatsächlich einmal eine Zeit gegeben hat, in der man Dieter Bohlen ernst nehmen konnte, ist die längst vorbei. Und das Bohlen-Revival auf RTL nach dem heutigen Abend hoffentlich auch. PEER SCHADER