Osteuropa Workshop : „Hätten wir doch nur ihre Probleme“
Vitali Khomutov aus Belogorsk über die „Freie Krim“, russische Propaganda und Kontraste zu Deutschland.
von Vitali Khomutov
Drei Tage, die meine Vorstellung von Deutschland erschüttert haben. Als ich, als Leiter der zivilgesellschaftlichen Bewegung „Freie Krim“, die Möglichkeit bekam, an dem Journalisten-Seminar der taz Panter Stiftung in Berlin und Budapest teil zu nehmen, habe ich mich natürlich sehr gefreut. Jedoch hatte ich nicht erwartet, dass mich im Rahmen dieses Seminars so vieles beeindrucken würde. Jetzt bin ich schon den dritten Tag in Deutschland und von dem Land ganz begeistert.
Vor dem Hintergrund der Realität auf der Krim, wo Razzien und Festnahmen Alltag geworden sind, hat mich zuallererst das Ausmaß an Offenheit der deutschen Gesellschaft überrascht. Hier sind die Prinzipien Demokratie und Liberalismus keine leeren Worte, sondern gelebte Realität. Hier werden keine Webseiten und Bücher verboten. Hier werden Andersdenkende nicht bekämpft. Hier leben die Menschen so, wie es in einer zivilisierten demokratischen Gesellschaft sein sollte.
Der zweite Aspekt, der meine Vorstellung von Deutschland verändert hat, sind die hohen Löhne (zehn Mal höher als auf der Krim) und niedrigere Preise für Lebensmittel, als auf der Krim. Besonders für solche lebensnotwendigen Produkte wie Fisch, Fleisch, Milchprodukte und Säfte.
Drittens hat mich die Fürsorge des Staates für Einrichtungen der Zivilgesellschaft beeindruckt. Hier sind Non-Profit-Organisationen nicht nur nicht steuerpflichtig. Ihnen werden auch Ausgaben erstattet und kostenlos Gebäude zur Verfügung gestellt etc., für die Krim, wo unabhängige Einrichtungen der Zivilgesellschaft vom Staat unterdrückt werden, ist das einfach nur fantastisch. Als Leiter der zivilgesellschaftlichen Bewegung unabhängiger Aktivisten und Blogger „Freie Krim“ werde ich die Krimbewohner über den auffälligen Kontrast zwischen Deutschland und der Krim informieren. Heutzutage tut die russische Propaganda alles dafür, die Krimbewohner glauben zu machen, dass die Regierungen der westlichen Länder, vor allem Deutschlands, in Problemen versinken. Da fällt mir doch gleich ein berühmtes russisches Sprichwort ein: „Hätten wir doch nur ihre Probleme!“
In dieser Woche sind zum einundzwanzigsten Mal Journalisten aus Osteuropa Gäste der taz Panter Stiftung, um sich kennen zu lernen, ihre Erfahrungen auszutauschen, Neues über Journalismus unter demokratischen und nicht mehr so demokratischen Bedingungen zu lernen. Weil es dieses Mal speziell um das Thema „Bedrohte Pressefreiheit“ geht, sind die KollegInnen zunächst fünf Tage in Budapest und dann in Berlin. In einem täglichen Blog berichten sie von dem Workshop, der auch aus Mitteln des Auswärtigen Amtes gefördert wird.