piwik no script img

Ostermarsch 2025Tiefe Gräben, wenig Alternativen

Der Berliner Ostermarsch ist zu russlandfreundlich, meint Michael Schulze von Glaßer von der Deutschen Friedensgesellschaft. Gibt es Alternativen?

Eine Regenbogenflagge weht am Potsdamer Luisenplatz. Dort fand am letzten Samstag der erste Ostermarsch in diesem Jahr statt Foto: Jens Kalaene/dpa
Nicolai Kary
Interview von Nicolai Kary

taz: Herr Schulze von Glaßer, gehen Sie am Samstag auf den Ostermarsch der Friedenskoordination (Friko) Berlin?

Schulze von Glaßer: Nein. Ich bin aber ebenfalls auf den Straßen unterwegs. Freitag haben wir eine Auftaktaktion gegen Atomwaffen vor dem Bundestag. Am Samstag bin ich bei Aktionen in Stuttgart und Montag in Frankfurt.

ta­z:­ War­um gehen Sie nicht zum Ostermarsch in Berlin?

Schulze von Glaßer: Der ist für mich nicht attraktiv, da er meistens sehr unkritisch gegenüber Russland ist. Genau an diesem Konflikt spaltet sich die Friedensbewegung.

Bild: privat
Im Interview: Michael Schulze von Glaßer

ist politischer Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK)

taz: Was meinen Sie damit genau?

Schulze von Glaßer: In der Friedensbewegung gibt es zwei Strömungen: die pazifistische, die jeden Krieg verurteilt, egal von wem er ausgeht. Es gibt aber auch eine Friedensströmung, die eben nicht jede Gewalt verurteilt, sondern sich zu einem Staat hingezogen fühlt.

taz: Und was ist Ihre Kritik am Ostermarsch der Friko?

Schulze von Glaßer: Darauf möchte ich hier nicht genauer eingehen. Es finden dazu auch durchaus Gespräche untereinander statt und wir schauen ob und wie man vielleicht in Zukunft zusammenarbeiten kann – oder eben auch nicht.

taz: Und was ist Ihre Position?

Schulze von Glaßer: Zunächst ist es wichtig, insbesondere vor dem Hintergrund gegenwärtiger Aufrüstung militärkritisch zu sein. Uns ist dabei aber wichtig, bei den Grundsätzen zu bleiben, gegen jeden Aggressor zu sein und jede Gewalt klar zu verurteilen. Konkret heißt das, klar zu sagen, dass es ein russischer Angriffskrieg ist – die Nato aber auch eine unrühmliche Rolle in der Geschichte des Konflikts spielt. Klar zu sagen, dass die Hamas ein schreckliches Massaker angerichtet hat – aber auch klar die israelische Regierung für ihr Vorgehen zu kritisieren. Uns geht es um Empathie mit den Opfern auf allen Seiten.

taz: Reicht es in Zeiten wie diesen überhaupt aus, sich „für Frieden“ zu positionieren?

Schulze von Glaßer: Es ist eine klare Position für die Menschen, die unter Krieg leiden. Wir kritisieren immer die Staaten, die Menschen in den Krieg schicken. Wir sagen, es muss eine andere Lösung geben. Natürlich ist es schwierig, diplomatische Mittel anzuwenden. Aber ich finde, da müssten wir wieder hinkommen. Durch Aufrüstung wird es am Ende nur noch schlimmer. Frieden darf man nicht mit Nichtstun verwechseln, aber eben auch nicht mit Waffenlieferungen.

taz: Sind Sie gegen Waffenlieferungen an die Ukraine?

Schulze von Glaßer: Wir wollen nicht, dass Waffen an die Ukraine geliefert werden. Wir sprechen uns für die Lieferung von zivilen Hilfsgütern aus. Den Menschen in der Ukraine fehlt es an vielem – es müssen nicht immer Waffenlieferungen sein. Und jede Granate, die Deutschland an die Ukraine liefert, kontaminiert beim Einsatz wieder ukrainischen Boden. Auch junge russische Soldaten sterben durch deutsche Waffen, obwohl sie gar nicht im Krieg kämpfen wollten, weil sie zwangsrekrutiert wurden. Das sind Probleme, die kaum in der Debatte vorkommen.

taz: Sie sind am Samstag nicht in Berlin. Wohin können Kriegs­geg­ne­r:in­nen am Samstag gehen?

Schulze von Glaßer: Es ist schwierig. Es gibt natürlich noch andere Ostermärsche in anderen Städten der Republik. In Jena und Gardelegen in Sachsen Anhalt wären beispielsweise Ostermärsche, die ich empfehlen kann.

taz: Ist die Friedensbewegung noch zu retten?

Schulze von Glaßer: Die Frage stelle ich auch oft in Debatten. Ich glaube schon. Allerdings muss sich dafür einiges verändern. Inhaltlich muss die Bewegung klarer werden. Man muss alle Kriege und jegliche Gewalt verurteilen. Außerdem müsste sich die Friedensbewegung moderner aufstellen. Die Ostermärsche sind ja eine sehr traditionelle Veranstaltung und ziehen vor allem ältere Menschen an. Es bräuchte neue Methoden, aber es fehlt eine kritische Masse, die sich mal an einen Panzer kleben will oder so.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare