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Archiv-Artikel

Ostdeutschlandreise

Vielleicht der schönste Ost-West-Film des Jahres: „Von Trabis, Wölfen und Japanern“ erzählt vom selten gewordenen Mut zum Glück (20.15 Uhr, 3sat)

Von PEER SCHADER

Am liebsten würde man die beiden ganz fest an sich drücken, Gabriel Schneider und seine Frau, die zusammen auf der Veranda ihres fast fertig gebauten Hauses sitzen und erzählen, wie zufrieden sie sind. Weil das so ermutigend ist. Weil man sich so sehr freut, dass es Menschen gibt, die den Mut zum Glück haben, auch wenn sie hart dafür arbeiten müssen. Einfach fest an sich drücken und ihnen sagen, wie toll man das findet.

Gabriel Schneider ist nach der Wende rüber in den Westen gekommen, in ein kleines Dorf in Baden-Württemberg – nicht weil er des Jobs wegen musste, sondern weil es ihm bei seinem ersten Aufenthalt hier so gut gefallen hat. Heimweh hat er nicht bekommen. „Ich hatte auch meinen Stolz damals“, sagt er. „Weil über viele, die dann wieder zurückgegangen sind, getuschelt wurde: Schau mal, der hat’s nicht geschafft.“ Aber das ist jetzt egal. Schneider hat im Westen seine große Liebe gefunden und geheiratet, seine Frau und er haben inzwischen drei Kinder und bauen ein Haus. Der 31-Jährige arbeitet als Heizer im Schichtdienst – nicht gerade ein toller Job. Aber Schneider findet das nicht schlimm. Und das macht Mut.

Für ihre Doku „Von Trabis, Wölfen und Japanern“ ist Karin Rieppel durch Deutschland gereist, vor allem durch den Osten, und hat sich mit Menschen unterhalten, die nicht besonders reich oder wichtig sind, die aber auf ihre jeweils eigene Art und Weise versucht haben, aus ihrer Situation im vereinten Deutschland das Beste zu machen.

Manche haben sich einfach daran gewöhnt, dass sie nicht mehr in ihre alten Jobs zurückkönnen – so wie Detlef Wolfram, der mal als Ingenieur im Braunkohlekraftwerk bei Hoyerswerda arbeitete. Jetzt ist er Wachmann in einem Einkaufszentrum – übergangsweise. Er sagt: „Wenn man sich damit nicht arrangiert, dann macht man auch keine gute Arbeit.“ Stefan Kaasche hat sich durch die Wiedervereinigung einen Traum erfüllt: Er beobachtet Wölfe in der Lausitz, war schon immer von den Tieren fasziniert und will bald Führungen für Touristen anbieten. „Das hätte ich in der DDR niemals gekonnt. Wahrscheinlich würde ich jetzt im Tagebau arbeiten.“

Rieppel hat viele positive Beispiele zusammengetragen über Träume und Glück in West und Ost. In ihrem Film gibt es keine Besser-Wessis und keine Mecker-Ossis. Es geht nicht um die üblichen Ost-West-Konflikte, von denen man sonst so oft in den Zeitungen liest, nicht um Benachteiligung, Resignation, Angst und Perspektivlosigkeit. Rieppel ist weit weg von den sonst im Fernsehen üblichen Hartz-4-Reportagen und Elendsberichten. Dabei werden die real existierenden Probleme nicht ausgeblendet, kommen aber bewusst zu kurz.

Dass Rieppel sich sehr mit eigenen Kommentaren zurückhält, ist gut – auch wenn der Zuschauer damit etwa dem furchtbaren Politikerdeutsch von Hartwig Rauh ausgeliefert ist, der als Oberbürgermeister von Weißwasser schildert, wie seine Stadt mit der hohen Arbeitslosigkeit umgehen will. Und man kann es lustig finden, dass ausgerechnet die prominenteste unter den Befragten, die aus Ostberlin stammende MTV-Moderatorin Nora Tschirner, zum Schluss des Films am wenigsten zu sagen hat.

Erstaunlich, dass man so viel Positivem bis zuletzt nicht überdrüssig wird. Im Gegenteil. Die Doku signalisiert: Das mit der Wiedervereinigung war für viele Menschen doch eine ziemlich gute Idee. Man vergisst es nur manchmal, bei all den Auseinandersetzungen und Kontroversen.