: Ostblockmusik
Auf der inoffiziellen Beliebtheitsskala der Schallplattenlabel des Ostblocks rangierte die sowjetische Melodija unter Musikfreunden bis Ende der Achtzigerjahre ganz unten. Auch für den rock- und popinteressierten Fan außerhalb der UdSSR stand Melodija für Langweilermusik. In der Heimat erwarb sich das Staatslabel sein Negativ-Image zusätzlich durch Ignoranz gegenüber jungen einheimischen Bands und Musikern, die nicht auf der Schlagerlinie einer Alla Pugatschowa lagen. Immerhin kann Melodija darauf verweisen, Mitte der Siebziger die erste sowjetische Rockoper („Ynona i Ivos“) gegen etliche Widerstände veröffentlicht zu haben, die berühmt-berüchtigte Ausnahme von der Regel.
Mit der durch Glanost und Perestroika Mitte der Achtzigerjahre eingeleiteten Wende in der Sowjetunion begann der schleichende Niedergang des ungeliebten Staatsmonopolisten. Der Heimatmarkt ist für Melodija fast verlorenes Terrain: Einerseits wird er überschwemmt von billigen Raubkopien, andererseits ist Melodija immer noch ein Synonym für das alte System und für junge Musiker als Labelpartner uninteressant. In Russland existieren rund 15 Indie-Labels, von denen allerdings nur vier bis fünf auf professionelle Weise arbeiten. Zu ihnen gehören die Label Snegiri, Bad Taste und Solnze.
Melodija versucht neben der Klassik auch ein Stück Wiedergutmachung gegenüber den in der UdSSR vernachlässigten Musikern durch die Veröffentlichung von Aufnahmen aus den ehemaligen Giftschränken. So sind zuletzt in der Fachpresse sehr gelobte CDs mit Easy Listening, Jazz und Bossa Nova aus der UdSSR erschienen.
Musik aus der Ex-Sowjetunion verbreiten auch deutsche Labels, vor allem das Berliner Label Eastblok Music, das zuletzt ein Album der legendären russischen Band „Leningrad“ veröffentlichte, und die Compilations „BalkanBeats“ und „Café Sputnik“, auf dem es viele elektronische Stücke mit Samples von alten Melodija-Platten gibt. Auf der Popkomm vom 20. bis 22. September in Berlin ist Russland ein Schwerpunktland im Kongressprogramm, die Firma Melodija wird aber nicht vertreten sein. LEU