CHRISTOPH HEIN VERZICHTET AUF SEINE GEPLANTE INTENDANZ IN BERLIN : Ost-west-deutsches Theater
Besser jetzt als später: Christoph Hein, vor drei Monaten offiziell als Intendant des Deutschen Theaters in Berlin ab 2006 nominiert, hat seinen Rücktritt erklärt. Gleichzeitig beklagte er die „massiven Vorverurteilungen“ in der Presse: Sie hätten Theaterleute abgeschreckt, mit denen er arbeiten wollte. Er sei „am geistigen Klima gescheitert“, so Hein.
Gescheitert ist aber weniger Christoph Hein. Denn mit seinem Rückzug hat er nicht nur größeren Schaden für das Deutsche Theater verhindert. Mit dieser Geste hat er sich auch jene Souveränität bewahrt, für die er als Autor angesehen wird.
Gescheitert ist vor allem der Berliner Kultursenator Thomas Flierl bei seinem Versuch, mit seiner Besetzungspolitik aus dem altbekannten Intendantenkarrussell auszuscheren und ein neues inhaltliches Profil für das größte Theater in Berlin nicht nur über prominente Namen, sondern auch über intellektuelle Redlichkeit herzustellen.
Offen bleibt die Frage, inwieweit die Herkunft von Hein und Flierl aus dem Osten die Kritik an beiden beflügelt haben. Selbst wenn es nur Projektionen waren, haben sie doch einen Kampfplatz eröffnet, auf dem beide nicht in der Rolle des Berufs-Ostlers antreten wollten. Entfalten konnte sich diese Debatte aber auch deshalb, weil sowohl der Senator als auch sein Kandidat es versäumt haben, dessen Nominierung mit einem klaren Konzept zu verbinden. Dem Misstrauen in die Eignung des Schriftstellers als Theaterleiter hatten sie nur dessen Persönlichkeit und den Wunsch nach einer neuen Positionierung des Hauses entgegenzusetzen – ohne dass eine solche Position kenntlich wurde. In diesem Vakuum konnte sich das Gespenst eines Ost-West-Kulturkampfes voll entfalten.
Jetzt besteht die Chance, aus dem Fiasko zu lernen. Denn die Unterstellungen, Hein sei ein Opfer westlicher Arroganz, hätten nicht solche Sprengkraft entwickeln können, könnten sie sich nicht von einem großen Unmut nähren. Die Findungskommission, die Flierl einberufen hat, wird nun darüber nachdenken müssen, was das für die Gestalt eines Deutschen Theaters bedeuten kann.
KATRIN BETTINA MÜLLER