piwik no script img

Osman Engin Die CoronachronikenDas große Corona-Interview

Foto: privat

Eminanim, in sechzig Minuten kommen die Fernsehreporter, um einen Bericht über meine Corona-Erkrankung zu machen und ich hab mich überhaupt nicht auf das Interview vorbereitet. Was soll ich bloß machen?“, jammere ich, als ich mich völlig entsetzt an meine Zusage vor zwei Tagen erinnere.

„Was für eine Corona-Erkrankung denn? Weshalb haben sie überhaupt dich ausgesucht?“, wundert sie sich.

„Als ich vor zwei Tagen meinen täglichen Coronatest gemacht habe und aus dem Krankenhaus rauskam, fragte mich der Fernsehreporter, ob ich positiv oder negativ getestet wurde. Da wollte ich mich etwas interessant machen und sagte, ‚leider positiv‘. Das beeindruckte ihn nicht besonders. Daraufhin wollte ich mich noch einen Tick interessanter machen und stöhnte, dass die zwei Monate auf der Intensivstation die Hölle gewesen sind. Das saß! Sofort wollte er mit mir ein umfassendes Interview über meinen Krankheitsverlauf machen.“

„Toll, Osman, wieso sagst du mir das jetzt erst? Wir sind überhaupt nicht vorbereitet!“

„Lass uns schnell im Internet recherchieren.“

„Das meine ich doch gar nicht! Einmal im Leben kommt mir ein Fernsehteam in die Wohnung und es sieht hier aus wie ein Saustall!“

„Eminanim, wen interessiert’s? Die Zuschauer wollen was über meine Krankheit hören.“

„Und was werden die Nachbarn sagen?“

„Die werden sagen, Osman, komm uns bloß nicht zu nah.“

„Nein, die werden sagen, bei denen wurde wohl seit zwei Jahren nicht mehr sauber gemacht. Los, lass uns sofort loslegen!“

„Ja, schnell! Ich recherchiere im Internet, du machst die Wohnung sauber.“

„Nein, umgekehrt! Du machst die Wohnung sauber, ich recherchiere im Internet. Schließlich hast du uns das Ganze eingebrockt, du Angeber!“, zischt sie und stellt mir den Staubsauger, einen Eimer Wasser und mehrere Waschlappen vor die Füße.

Es wird die schwerste Stunde meiner Corona-Erkrankung! Ach was, meines Lebens! Wie einen römischen Galeerensträfling hetzt mich Eminanim unermüdlich weiter. Dass ich nicht wie Ben Hur an den Füßen angekettet bin, verdanke ich nur dem Umstand, dass ich ständig hin und her flitzen muss.

Und schon stehen die Reporter mit Mundschutz und Plastikanzügen vor der Tür.

Osman Engin ist Satiriker in Bremen. Zu hören gibt es seine Kolumnen unter https://wortart.lnk.to/Osman_Corona. Sein Longseller ist der Krimi „Tote essen keinen Döner“ (dtv).

Ich werfe mich total fix und fertig auf die Couch.

„Ich bin sowas von erschöpft, Corona war nichts dagegen“, stammele ich und strecke alle Viere von mir.

„Ist Ihre Krankheit erneut ausgebrochen?“, fragt der Reporter besorgt. „In Südkorea wurden auch 277 Personen nach ihrer Genesung positiv getestet.“

„Nein, nein, er hat nur einmal meine tägliche Arbeit übernommen“, lacht Eminanim „und schon wünscht er sich sein Corona zurück.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen