piwik no script img

Osman Engin Die CoronachronikenClint Eastwood, der Coronabulle

privat

Osman Engin ist Satiriker in Bremen. Er liest seine Geschichten im Radio bei Cosmo unter dem Titel „Alltag im Osmanischen Reich“. Sein Longseller ist der Krimi „Tote essen keinen Döner“ (dtv).

Meine Frau Eminanim und ich schauen uns nichtsahnend einen spannenden Western im Fernsehen an und trinken dabei Kamillentee, wie von dem Coronadoktor empfohlen, um den sämtlichen bösen Bakterien im Hals den Garaus zu machen.

Währenddessen macht sich Clint Eastwood bereit, den bösen Parasiten im Saloon den Garaus zu machen. Ein sehr alter Western, noch aus der Zeit, als die Kneipen und die Saloons öffnen durften.

Ein kräftiger Tritt gegen die Schwingtür des Saloons – und schon stürmen drei Bullen in unser Wohnzimmer rein.

„Ist das dieses neue interaktive Fernsehen?“, stammele ich ziemlich erschrocken.

„Ist wohl die Billigversion davon“, zittert Eminanim. „Clint Eastwood steht jedenfalls nicht bei uns auf der Matte.“

„Wir haben den anonymen Hinweis bekommen, dass hier die Coronaregeln mit Füßen getreten werden“, brüllt der Bulle Nummer 1.

„Sie sind der Einzige, der hier etwas mit Füßen tritt“, wehre ich mich. „Ich muss wohl eine neue Tür kaufen.“

„Wo sind denn die restlichen Personen?“, fragt er streng.

„Außer uns beiden ist hier kein Mensch. Nicht mal Clint Eastwood, obwohl wir für einen Moment das Gefühl hatten …“

„Durchsuchen!“ Bulle 2 und 3 schauen sich in der ganzen Wohnung um.

„Falscher Alarm. Entschuldigen Sie bitte die Störung“, sagt Nummer 1, während sie abziehen.

Clint Eastwood ist wesentlich erfolgreicher. Er zerrt mehrere Halunken gewaltsam aus dem Saloon. 15 Minuten später, Clint Eastwood genehmigt sich gerade zufrieden einen Drink, werden wir von den Dreien erneut überfallen.

„Wir haben den anonymen Hinweis bekommen, dass hier mehrere Familien die Corona­regeln mit Füßen treten“, brüllt der Bulle 1.

„Also, nicht mal der Clint Eastwood überfällt den gleichen Saloon zweimal hintereinander“, antworte ich schon wieder total erschrocken.

Bulle 2 und 3 schauen sich in anderen Räumen um.

„Entschuldigen Sie bitte die Störung, schon wieder falscher Alarm“, knurren sie kleinlaut, als sie genervt abziehen.

Während des Abspanns, Clint Eastwood hat längst Feierabend, werden wir zum dritten Mal überfallen.

„Sie können ruhig hierbleiben, anstatt uns immer wieder Angst einzujagen“, mache ich den enttäuschten Polizisten einen Vorschlag.

„Das geht nicht. Das wäre gegen die Coronaregeln“, meint Eminanim.

Mit hochrotem Kopf ziehen die drei ab.

„Wer schickt uns denn ständig die Polizei an den Hals?“, frage ich meine Frau.

„Ich“, lacht Eminanim.

„Wie bitte? Du? Warum das denn? Fandest du den Film derart langweilig?“

„Jetzt kann ich ruhig alle meine Freundinnen einladen. Ein viertes Mal wird sich die Polizei heute Abend nicht blamieren wollen, selbst wenn die Nachbarn uns verpetzen sollten.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen