Osman Engin Die Corona-Chroniken: Die guten Corona-Vorsätze
Osman Engin ist Satiriker in Bremen. Er liest seine Geschichten im Radio bei Cosmo unter dem Titel „Alltag im Osmanischen Reich“. Sein Longseller ist der Krimi „Tote essen keinen Döner“ (dtv).
Alle Jahre wieder nehme ich mir am Anfang des neuen Jahres vor, ein bisschen abzunehmen und irgendwie Sport zu treiben! Dieses Jahr muss ich coronabedingt sehr viel mehr abnehmen, und daran ist Frau Merkel schuld. Immer wenn die Bundeskanzlerin sagte: „Osman, geh bloß nicht raus! Bleib zu Hause, schau in die Glotze´, hab ich mich sofort aufs Sofa vor dem Fernseher gelegt und einen Börek nach dem anderen gegessen.
„Osman, auch wenn Frau Merkel es nicht gern sieht, du musst mal raus“, meint Eminanim. „Sonst wird dein Coronabauch noch größer.“
Also gehe ich ziemlich widerwillig auf die Straße und werde kalt erwischt! Nein, nein, nicht von Frau Merkel oder von Söder, sondern von dieser schrecklichen Mitleif-Kreisis! Auf riesigen Plakatwänden sehe ich alle zwei Meter gut gebaute, tadellose, nackte Männer mit Waschbrettbauch, die mir super gelaunt zurufen: „Du nicht, Osman! Du kannst machen, was du willst, du wirst nie so schlank wie wir! Überleg dir doch lieber ganz andere Vorsätze fürs neue Jahr vor, Alter!“
Am Abend sehe ich im Fernsehen einen 20-Jährigen, der ein großer Fußballspieler geworden ist, wodurch sein Vater Millionen bekommt. Was macht dagegen mein kommunistischer Sohn Mehmet? Mit 25 Jahren studiert er immer noch irgendwas und pumpt mich ständig um Geld an!
„Osman, geh doch shoppen“, schlägt meine Frau vor. „Kauf dir bunte, schrille Kleider, lass dir einen richtig feschen Haarschnitt und eine völlig abgedrehte Haarfarbe verpassen. Danach geht’s einem doch besser!“
Verzweifelt wie ich bin, probiere ich’s natürlich sofort aus. Aber mein Seelenzustand verbessert sich nicht entscheidend. Obwohl mir die grüne Igelfrisur und die rote Lederhose eigentlich nicht schlecht stehen.
„Eminanim, ich muss zentnerweise Fett absaugen lassen und dafür sofort massenweise Muskeln bekommen. Ich muss Hunderte von Falten im Gesicht wegbügeln und dafür Millionen von Haaren auf den Kopf kriegen. Ich muss ein tolles weißes Gebiss bekommen und das dämliche Hörgerät loswerden. Und das alles in diesem Jahr ...“
„Ich weiß nicht, ich weiß nicht“, schüttelt sie bedächtig mit dem Kopf. „Ich glaube, in diesem Leben kannst du das alles nicht mehr schaffen. Dich kann eigentlich nur Corona retten, ich meine, eine Wiedergeburt. Apropos Corona, du musst deine Vorsätze fürs neue Jahr dementsprechend anpassen.“
„Vielen Dank, Eminanim. Das ist eine Super-Idee! Für 2021 nehme ich mir vor, nicht mehr als zehn Kilo zuzunehmen.“
„Zehn Kilo nur? Osman, tu dir keinen Zwang an, wir haben doch Corona.“
„Okay, dann eben zwanzig Kilo!“
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